02.05.03 FC St. Pauli 1910 ­ SV Wacker Burghausen
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ghostwriter

"Wir stehen am Rande des Abgrunds, aber morgen sind wir einen Schritt weiter!"

Bereits seit November letzten Jahres liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Damals hatten wir beschlossen, Burghausen ist geil, und deshalb fahren wir in der Rückrunde zum Heimspiel unseres FC St. Pauli von 1910, gegen unsere neuen Freunde aus der Salzachstadt. Alles passte soweit. Die Tickets für die Nordkurve waren bereits frühzeitig gesichert, die Fahrkarte der DB für den ICE nach Hamburg waren besorgt, alle beteiligten Personen hatten die nötige Zeit für ein verlängertes Wochenende in HH und das Wetter an diesem 2. Mai 2003 war für hamburger Verhältnisse wirklich erstklassig. Wenn man bedenkt, dass das Wetter einen Tag vorher eher an Weltuntergang erinnerte. Der einzige Makel an der ganzen Sache war, das unser FC in der Tabelle nicht wesentlich besser da stand als damals beim Hinspiel. Es ging also immer noch um den Nichtabstieg. Burghausen hatte den Klassenerhalt schon zu 99% gesichert. Alles was also zählte war ein Heimsieg.

Eigentlich hatte an diesem Tag dann auch alles gut angefangen. Die Stimmung auf dem Platz vor der Südkurve des Stadions war gut. Ab ca. 15.00 Uhr stieg dort die von den St. Pauli-Fans organisierte Willkommens-Party für die teilweise in bayerischer Tracht erschienen Anhänger der Burghausener. Es spielten diverse Bands und irgendso ein Shanti-(oder so ähnlich)-Chor gab diverses hamburger Liedgut kund. Auch Corny Littmann und Burghausens Bürgermeister Steindl waren zugegen. Beide hielten eine kurze Ansprache und Corny bettelte förmlich um die 3 Punkte. Steindl zeigte sich jedoch olympisch mit der Aussage: "Der Bessere möge gewinnen". Na egal, der Stimmung tat das keinen Abbruch.

Um 18.30 Uhr bewegten wir uns dann schließlich etwas volltrunken in Richtung Nordkurve. Die Nervosität stieg ins unermessliche. Das Stadion war bereits gut gefüllt und gute Plätze schon fast Mangelware. Das hielt mich jedoch nicht davon ab, mir noch die obligatorische Stadionwurst zu besorgen. Den Preis weiß ich leider nicht mehr und wie sie geschmeckt hat eigentlich auch nicht. Ich kann mich nur daran erinnern, dass ich mir mehrfach die Finger und Zunge daran verbrannt habe. Schließlich begab ich mich zum Stehplatz, an dem sich bereits die anderen eingefunden hatten. In angespannter Erwartung harrten wir der Dinge die da kommen.

Super Stimmung im Stadion. Es war bis auf ein paar Gästeplätze ausverkauft. Es dauerte nicht mehr lange und um 19.00 Uhr wurde das Spiel vom Schiri angepfiffen. Es entwickelte sich ein munteres Fußballspiel. Die Nervosität war nicht nur der Mannschaft, nein auch dem Publikum anzumerken. Viele Zuschauer, so auch wir, hatten vorher literweise Beruhigungsmittel zu sich genommen. Und dann schon nach einer knappen Viertelstunde kam das, was alle erhofft hatten. St. Pauli ging durch Fröhlich 1:0 in Führung. Frenetischer Jubel im Stadion. Die Anspannung schien auf einen Schlag etwas gelockert zu sein. Vorsichtiges Lächeln machte sich auf den Gesichtern der Fans breit. Doch es sollte nicht lange dauern. Burghausen glich wenige Minuten später aus. 1:1. Scheiße, dachten sich die meisten. Jetzt bloß nicht wieder einbrechen. Die Anspannung erreichte wieder den Höhepunkt. Das Spiel ging weiter. Meine Blase machte mich mal wieder darauf aufmerksam, dass sie voll wäre. Ich streubte mich jedoch dagegen auf's Klo zu gehen, könnte ja schließlich was verpassen. Und so kam es dann auch. St. Pauli bekam einen Elfmeter zugesprochen. Ob berechtigt oder nicht kann ich bis zum jetzigen Zeitpunkt immer noch nicht sagen, aber das interessierte in diesem Moment auch wirklich niemand. Ugur "Iceman" Inceman tritt an und knallt den Ball ins Tor. Jubel, Song 2, Bierduschen. St. Pauli führt wieder. 2:1. Geil!!! Dann war irgendwann Halbzeit.

Wenig später Durchgang 2. Ich hatte vor lauter Anspannung vergessen, die Pause zum Toilettengang zu nutzen. Ziemlich blöde so was. Aber jetzt ging's auch nicht mehr. Es wird schon irgendwie gehen. Weiter im Spiel. Es kam wieder das, was man nun von unserer Truppe schon mehrfach gesehen hatte. Fällt ihnen denn nichts besseres ein, als sich bei einer knappen Führung hinten reinzustellen. Und das auch noch mit einer so desolaten Abwehr. Die Zeit verstrich. Burghausen machte den Anschein als möchten sie die drei Punkte in Hamburg lassen, denn mir kam es ein paar mal so vor, als würden sie den Ball absichtlich von der Strafraumgrenze ca. 5 Meter übers Tor schießen (war da noch was mit neuer Fanfreundschaft). Es kann aber auch sein, dass ich mich aufgrund zu vielem Beruhigungsmittel dabei getäuscht hatte. St. Pauli hatte meiner Meinung nach nur noch eine vernünftige Torchance und diese donnerte Chris ans Aussennetz. Der FC hatte Mühe, den Kasten in dem Amateur-Keeper Miethe, aufgrund der Verletzungen von Müller und Bulat, stand so lange sauber zu halten. Dann kamen wieder die letzten fünf Spielminuten. Es war fast nicht mehr zum Aushalten. Bitte, bitte, kein Gegentor mehr. Es läuft die 89. Minute. Burghausen tauchte wieder vor dem 16er auf, die Abwehr pennte mal wieder und der Ball war im Tor. Torsten Miethe hatte keine Chance. Lähmendes Entsetzen im Stadion. Nur ganz hinten in der Südkurve war der Jubel der Burghausener zu hören. Ungläubiges Kopfschütteln bei den St. Pauli-Fans. Das darf echt nicht war. Ich glaubte mich in einem Deja-Vu, nur hieß der Gegner heute nicht Union Berlin sondern Burghausen. Mein Standort war aber genau der gleiche und es handelte sich ebenfalls um die letzten 5 Spielminuten. Mir fehlten einfach die Worte. Die Spiel ging weiter. Noch eine Minute. Da passierte natürlich nichts mehr und es blieb beim 2:2. Das Ergebnis kam einem Genickschuß gleich. Die Stille im Stadion war erdrückend. So etwas hatte ich in meinem bisherigen Fandasein noch nicht erlebt. Es scheint alles vorbei zu sein. St. Pauli bewegt sich wohl entgültig Richtung Regionalliga Nord.

Es dauerte lange, bis wir das Stadion verlassen hatten. Wir waren schlichtweg am Ende. Jetzt noch Party mit den Burghausen-Fans? Uns war es wirklich vergangen. Wir beschlossen auf den Kiez zu gehen und dort unseren Frust hinunterzuspülen. Aber wie soll man das machen, wenn einem das Bier nicht mehr schmeckt geschweige denn eine Cola. Nur die Currywurst vor der Davidswache war lecker. A gscheite Wurscht is halt guat für Körpr und Seel! So liefen wir dann mehr oder weniger planlos über den Kiez, voller Depression. Wenigstens hatte ich nun endlich Zeit und Gelegenheit zum Pissen zu gehen ohne etwas zu verpassen.

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