04.05.03
Altonaer FC 93 ­ ASV Bergedorf 85
Adolf-Jäger-Kampfbahn
autor:
libero

Die Einführung

Am Freitag verschenkte unser liebster Depressionsauslöser, der FC St. Pauli, wieder einmal zwei wichtige Punkte im Abstiegs- und Existenzkampf der zweiten Bundesliga. Folglich war meine Laune, zum wiederholten Male in dieser Saison des Grauens, weit unter dem Gefrierpunkt und selbst der schon oft erprobte, aber niemals wirklich zufriedenstellende Versuch, meine Gefühle und Gedanken in einem Ozean der Betäubung zu ertränken, schlug fehl. Hätte man sich ja auch denken können, denn das war schon immer so!

Nach einem sehr bescheidenen Kiezbesuch ging es relativ schnell zurück nach Altona (danke Nele!) um sich zur Ruhe zu begeben. Der Schlaf brachte aber auch nicht die gewünschte Wirkung. Die depressive Grundstimung etablierte sich in meinem Gemüt und behielt gegenüber Aufmunterungsversuchen, oder wie auch immer gearteten Manipulationen, souverän die Oberhand. Selbst die Anwesenheit beim Meisterstück unserer Amateure hatte keinen nachhaltigen positiven Einfluss. Über den samstäglichen Kiezbesuch möchte ich eigentlich gar nichts schreiben. Ihr könnt es euch ja denken...

Die Nacht von Samstag auf Sonntag erfüllte kurzzeitig die gewünschte Funktion einer Katharsis. Selten so gelacht, das beklemmende Gefühl suchte sich jedoch immer wieder Lücken, durch die es blitzschnell zu stoßen konnte. Der einzige Unterschied zum Samstag ist, das ich meine persönliche Situation, ganz im Sinne des Konstruktivismus, umdefiniere und ich mich mit dem Abstiegsgedanken abzufinden versuche. Da ist man ja flexibel.

Die Zerstreuung

Die Logistikabteilung von www.rggf.de hatte wieder einmal ganze Arbeit geleistet und so konnten wir noch der Adolf-Jäger-Kampfbahn und Altona 93 einen lohnenswerten Besuch abstatten, ehe es wieder zurück ging in die Landeshauptstadt München. Wirklich, ein sehr schönes Stadion in Altona. Nur die Eintrittskarten passten so gar nicht in das Gesamtbild. Jeder Bezirksligaverein, der ein bisschen was auf sich hält, gibt attraktivere an seine Zuschauer aus. No club is perfect!

Es versammelten sich ca. 400 Zuschauer im einzigen mir bekannten Stadion ohne Fangnetze oder dergleichen hinter den Toren. Wir positionierten uns hinter einem der Tore, um, was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, inmitten der "schönsten Fans der Welt" und dem mit einer Flasche Wein und einer dänischen Fahne ausgestatteten Marbuse das Spiel zu verfolgen. Jener Marbuse, der damals die Totenkopfflagge am Millerntor etablierte und wohl nie einen Pfennig dafür sah. Pop will it eatself! Seine Spielkommentare und das permanente Gegröhle sind allerdings schon etwas gewöhnungsbedürftig. Naja!

Es entwickelte sich ein nett anzusehendes Spiel mit deutlichem Übergewicht für die Heimmannschaft. So verwunderte auch die 1:0-Halbzeitführung durch Marius Jendrzej nur die hartgesottensten Bergedorfer. Nach der Pause kam jedoch das Dorf auf dem Berge immer besser ins Spiel und erspielte sich, zum Teil unterstützt durch skurrile Abwehrfehler des Altonaer FC, überraschende Torchancen. In Folge dessen kamen sie auch zum Ausgleichstreffer durch Oliver Lindemann in der 59. Minute. Die Gäste spielten weiter nach vorne, schließlich galt es, den zweiten Platz zu sichern, um eventuell für die FC St. Pauli-Amateure in die Regionalliga nachzurücken, vergaben aber in bester Chancentod-Manier eine Möglichkeit nach der anderen. Und wie das so ist beim Fußball, wenn man die Dinger vorne nicht macht, kriegt man sie hinten rein. Bahram Bahrami umkurvte in der 87. Minute den Schlussmann von Bergedorf und traf zum 2:1-Endstand für Altona 93. Zu erwähnen bleibt noch, dass auch in Altona nach einem Tor für die heimische Mannschaft Bumsmusik gespielt wird. Nichts besonderes eigentlich, aber die nostalgische Volksempfängerqualität verlieh dieser Musik dann doch einen eigenwilligen Charme.

Die Folgen

Die Altonaer bewiesen ein Herz für die zahlreich anwesenden St. Pauli-Fans und gaben die Endergebnisse der Sonntagsspiele in Liga 2 durch. Und das hätten sie besser mal nicht gemacht! Reutlingen stürzte sich, einem Kamikaze gleich, mit einer 0:3-Heimniederlage gegen den KSC mit fliegenden Fahnen in den Abstiegskampf, Lübeck erreichte bei Braunschweig ein 1:1 und die Lorant Rabauken aus Ahlen ergaunerten sich ja bereits am Freitag bei Eisern Union ebenfalls einen Punkt. Also sind es weiterhin vier Punkte zum rettenden Ufer bei noch drei verbleibenden Spielen. Alles beim Alten!

Was macht ein Fan des FC St. Pauli in einer solchen Situation? Er ärgert sich über die Weltverschwörung gegen ihn und seinen Verein, über die Unfähigkeit seiner Mannschaft, zu erkennen, dass ein Spiel 90 Minuten dauert, über die Misswirtschaft des Managements und überhaupt! Am Sonntag fährt er nach Karlsruhe und hofft wieder einmal, dass die Mannschaft endlich kapiert, um was es geht. Und nach den Steilvorlagen der Freitagsergebnisse sollte das jeder geblickt haben.

Die Erkenntnis des letzten Wochenendes war, dass es sich wohl um das überflüssigste seiner Art seit Menschengedenken handelte. Natürlich nur in Bezug auf das Tabellengeschehen. Ich denke ungefähr so überflüssig wie die Coke vanelle. Aber das ist eine andere Geschichte.

zurück