23.07.03
Bohemian
FC Dublin FC Bate Borisov
Dalymount Park, Dublin
autor:
alteheide
A Touch Of Class
Erste
Runde der Champions-League-Qualifikation: Der irische Meister des letzten
Winters gegen die uns wohlbekannten Weißrussen aus Borisov (welche
letzten Sommer die 60er in ihrer ehemaligen Heimat Grünwalder
Stadion aus dem UI-Cup gekegelt, oder besser gesagt: den Grundstein dafür
gelegt hatten). Eine wunderbare Gelegenheit, ein bisschen Fußball
zu gucken. Wozu fährt man denn in Urlaub?
Also: Es war herrlich. Das Stadion - in einem Arbeiterviertel im Norden
Dublins gelegen - ist höchst ungewöhnlich. Es hat auf der einen
Seite eine moderne Haupttribüne, die Gegengerade hingegen besteht zur
einen Hälfte aus einer maroden Tribüne, die andere Hälfte
ist Parkplatz für Polizei- und Krankenwägen. Hinter einem Tor
alte Stehplatzränge, auf der sich keine Zuschauer befanden, sondern
nur Transparente und Fahnen hingen, hinter dem anderen ebenfalls ehemalige
Stehplätze, allerdings notdürftig überdacht und in Richtung
Spielfeld mit Sitzplatzschalen ausgestattet. Also eine Art All-Seater.
Die Stimmung war gut, das Stadion mit schätzungsweise 6000 Zuschauern
zu drei Vierteln gefüllt (übrigens auch mit einigen Anhängern
anderer irischer Erstligaklubs, die vom Stadionsprecher gesondert begrüßt
und vom Publikum größtenteils mit Beifall bedacht wurden), das
Wetter war o.k. - na ja, es hat zumindest nicht geregnet, jedenfalls nicht
in der ersten Viertelstunde. Als die Mannschaften einliefen, erklang diese
komische Champions-League-Hymne, die im Fernsehen immer so nervt. Natürlich
(im ersten Moment) recht eigenartig, diese Musik zu hören, passte sie
doch so gar nicht zum Rahmen, in dem dieses Fußballspiel ablief. Aber
verdammt noch mal: Diese Mannschaften waren immerhin MEISTER ihrer jeweiligen
Liga! Und müssen trotzdem drei Runden überstehen, bis sie bei
den Großen mitmachen dürfen. So hält man sich
schön die Konkurrenz vom Leibe, die evtl. nachwachsen könnte (G14!
Verbrecher!).
Das Spiel war recht interessant, Kampfkraft gegen Technik. Die Weißrussen
waren anfangs überlegen und kontrollierten das Spiel, waren aber Richtung
gegnerisches Tor völlig harmlos. Die Bohemians bemühten sich,
aber vieles blieb Stückwerk. Das Publikum honorierte wie erwartet
jedes faire Tackling, jeden irgendwie noch erlaufenen Ball, jede
Kombination über mehr als drei Stationen etc. mit Beifall. Die Bohs
fanden langsam besser ins Spiel. Nach einer halben Stunde erarbeiteten sie
sich auch die ersten Torchancen, und bis zur Halbzeit hatten innerhalb von
zehn Minuten zweimal eingelocht. Im Anschluss an die Tore kein bescheuertes
Rumgeprahle seitens des Stadionsprechers und auch keine ekelhaft schlechte
Animations-Bums-Musik, sondern einfach nur eine DURCHSAGE des Spielstandes
und des Namen des Torschützen. Das ging runter wie Öl. Überhaupt,
die Musik: Indie. Vor dem Spiel na logisch Bohemian
Like You von den Dandy Warhols, in der Halbzeit gab es u. a. die Pogues,
und nach dem Spiel passenderweise die Housemartins (Happy Hour).
Ich will für immer in diesem Land bleiben.
Der Rest ist schnell erzählt: Irgendwann in der zweiten Halbzeit fiel
dann auch noch das 3:0. Damit war der Fisch endgültig geputzt (das
Hinspiel hatte Bate 1:0 gewonnen), denn nicht jede Mannschaft der Welt stellt
sich so dumm an wie der FC St. Pauli. Der Stadionsprecher bat die Leute
herzlich darum, nach Schlusspfiff nicht aufs Spielfeld zu rennen,
woran sich dann auch alle hielten.
Irgendwie runderneuert verließen wir das Stadion. Alles war in etwa
so gewesen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und ich hatte eine neue Erkenntnis
gewonnen: Manchmal ist es wirklich schön, wenn sich Klischees, die
man schon seit Ewigkeiten in seinem Kopf herumträgt, dann auch erfüllen.
Nachtrag: In der zweiten Runde schieden die Bohemians
erwartungsgemäß gegen Rosenborg Trondheim aus (0:1 und
0:5).