07.08.03
Shelbourne FC – Cork City
Tolka Park, Dublin
autor: alteheide

We love Jim Bolton, we do!

Es ist schon seltsam: Ich habe alles gesehen auf unserer Reise durch Irland – die wunderbarsten Landschaften, die saftigsten Wiesen, die weitläufigsten Strände, die einsamsten Fjorde, die steilsten Klippen und die bizarrsten Steinformationen; die schnellsten Pferde, die durchgeknalltesten Schafe, die dümmsten Esel und die lustigsten Menschen – aber das allerschönste an diesem Urlaub war das Fußballspiel am Abend vor der Abreise, bzw. das, was hinterher passierte:
Auf dem Programm stand das Spitzenspiel der ersten Liga zwischen Erst- und Drittplatziertem. Dennoch war das Stadion (laut Selbstauskunft der Shelbourne-Fans der schönste Ground Irlands) mit ca.1500 Zuschauern nur sehr spärlich gefüllt. Daran, dass das Spiel unter der Woche stattfand, kann es nicht gelegen haben. Fußball hat in Irland offensichtlich einen geringeren Stellenwert als im Rest Europas. Gib Dir das: Man muss doch tatsächlich „soccer“ sagen, wenn man „football“ meint. Der Begriff „football“ ist schon vergeben, für den Sport, den wir als Rugby bezeichnen würden, und der, genau wie ein anderes exotisch anmutendes Spiel namens „hurling“, auf der Insel wohl um einiges populärer ist als unser geliebter Fußballsport. Möglicherweise liegt die geringe Zuschauerresonanz aber auch daran, dass aus Dublin allein fünf der zehn Erstligamannschaften kommen, und Shelbourne eventuell ja das Tennis Borussia unter diesen Vereinen sein könnte. Vielleicht ging es ja auch dem Papst schlecht an diesem Abend, und es wollte deswegen keiner aus dem Haus, was weiß denn ich.
Zumindest schien es so, als sei Shelbourne nur zufällig Tabellenführer, denn der Auftritt der Rot-Blauen war alles andere als souverän. Cork war von Anfang an die bessere Mannschaft und erzielte früh den Führungstreffer. Irgendwann fiel der Ausgleich. Und irgendwann hat der Schiedsrichter dann abgepfiffen. 1:1. Von mir aus.
Wir hatten während des Spiels einen Ulmer kennen gelernt, der sich ebenfalls ganz gerne mal ein Fußballspiel anschaut. Der hatte zufällig die Stadionkneipe entdeckt und wir beschlossen, dort nach dem Spiel noch eine kleine Limo zu trinken. Das war eine GUTE Entscheidung. Denn soviel Gastfreundschaft und Herzlichkeit schlägt einem wirklich nicht sehr oft entgegen. Es machte den Leuten nicht mal was aus, dass wir Deutsche waren!

Im Laufe des Abends
- bekamen wir Bier ausgegeben, weil Irland bei der EM 1988 in Stuttgart England mit 1:0 geschlagen hatte
- bekamen wir als Erinnerung zwei Stadionzeitungen („Programmhefte“, 1.50 Euro) geschenkt, weil es keine Eintrittskarten für das Spiel gegeben hatte
- wurden wir einer „Shelbourne Legend“ (Stephen Geoghagan) vorgestellt, der unsere Stadionzeitungen signierte, ohne dass wir ihn darum bitten mussten: das haben unsere „Gastgeber“ für uns erledigt
- bekamen wir den Ausweis eines Stadionordners geschenkt
- erhielt ich eine Führung durch die Katakomben des Stadions; an der Besprechung der Vereinsführung, in die wir hineinplatzten, durfte ich aber nicht teilnehmen
Außerdem hörten wir die komplette Geschichte zum schnellsten Hat-Trick aller Zeiten, den ein gewisser Jimmy O’Connor 1967 in 2 Minuten und 13 Sekunden für die Shels erzielt hatte. Das Glänzen in den Augen der beiden alten Männer, die damals vor Ort waren (im Dalymount Park, der Heimat der Bohemians, ein paar Strassen weiter), bekamen wir während ihrer Erzählung gratis dazu. Grosse Gefühle, auch in den kleinen Kinos dieser Welt. Solche Leute, auch wenn es vielleicht nicht viele sind, werden immer da sein, denn der Verein hat eine Bedeutung für sie, die über objektive Kriterien nicht zu erfassen ist. Verbundenheit mittels Identifikation. Heimat. So soll Fußball sein.
Geht zu den Shels, wenn ihr mal in Dublin seid. Diese Menschen haben es sich verdient.

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