22.11.03
1860 München – Bayern München
Olympiastadion München
autor:
alteheide

Das Derby

Es war immerhin ausverkauft. Das hat den Wildmoser gefreut, hat er später gesagt.

Gott sei Dank habe ich das Vorprogramm verpasst, aber dieser Schreihals (Stefan Schneider heißt er, ich hab mich erkundigt – jetzt muss ich nur noch seine Postanschrift herausfinden) ist inzwischen so laut, dass man selbst an den Kassenhäuschen keine Ruhe vor ihm hat. Das nächste Mal – falls es eines gibt – werde ich mir einen Walkman mitnehmen, oder zumindest Ohropax. Friede für meine Ohren! Genau das will ich!

Wie gesagt: Das Spiel hatte bereits angefangen, als ich das Oval betrat. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich allerdings immer noch nicht, zu wem ich helfen sollte. Für Bayern kann man ja überhaupt gar nicht sein, aber für 60 halt auch nicht. Am liebsten wäre es mir gewesen, sie hätten beide verloren. Da ich daran aber irgendwie nicht glauben konnte, habe ich mir zumindest ein Spiel mit vielen spektakulären Fehlern, groben Fouls und kuriosen Fehlentscheidungen des Schiedsrichters gewünscht. Und irgendein Unentschieden. Am besten so eins: Verein X führt 4 Minuten vor Schluss mit zwei Toren Unterschied, die Fans feiern schon wie die Blöden, dann ein Eigentor, und in der 6. Minute der Nachspielzeit fällt dann der Ausgleich für Verein Y – ein Abstauber nach einem katastrophalen Schnitzer des Torhüters.

Dann wurde es aber doch ein typisches FC Bayern-Spiel: Der Gegner rennt und tut, ist aber nicht zwingend genug, und das Aushängeschild des Deutschen Fußballs (im folgenden nur noch „Das Aushängeschild“ genannt) kommt einmal vors Tor, und „Killer“ Roy macht das, was er in fast jedem Spiel macht: ein Tor. In diesem Moment wurde mir schlagartig klar, was ich AUF GAR KEINEN FALL wollte: dass selbiges im Laufe des Spiels auch dem TSV 1860 glückt! Weil, ich hatte ja keinen Walkman dabei, und Ohrstöpsel auch nicht. Ich wurde erhört, und so hatte das Aushängeschild einen Auswärtssieg eingefahren, glanzlos wie so oft, ultra-rationell. Oder, wie Kahn es ausdrückte: „Ein Pferd springt halt nur so hoch, wie es springen muss.“ Schönes Sinnbild, hätte ich ihm gar nicht zugetraut.

Tja, das war also das Derby. Was mir noch aufgefallen ist: Die weiblichen Stadiongänger. Während beim Aushängeschild eher die Anhängerinnen mit spitzen Stiefelchen und am Arsch gebleichten Jeanshosen auffiel, sozusagen die versnobte ChiChi-Fraktion, so erinnerten mich die blauen Frauen doch stark an jenes furchtbare Jahrzehnt, an das jeder vernünftige Mensch nur mit Schaudern zurückdenkt: die 80er. So mit Stretchhosen und Bonfire-Dauerwelle. Und das hat mich dann beinahe etwas beruhigt: Wenigstens in dieser Hinsicht sind die Vereine also noch keine Allianz eingegangen.

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