28.11.03
FC St. Pauli – SG Wattenscheid 09 2:2
Millerntor, Hamburg

06.12.03
Preußen Münster – FC St. Pauli 2:0
Preußenstadion, Münster

autor:
alteheide

Nur St. Pauli, St. Pauli…

So in etwa hatte ich mir das in dieser Saison vorgestellt: Ein gesicherter Mittelfeldplatz, ohne jemals die Sorge haben zu müssen, in Abstiegsgefahr zu geraten; finanzielle Konsolidierung; konstruktive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Vereinsebenen – und nach der Winterpause legt die Mannschaft, getragen von positiver, vorsichtig optimistischer Stimmung in Verein und Umfeld, eine Rückrunde hin, die sich gewaschen hat. Am letzten Spieltag wird Braunschweig durch ein Tor in der 78. Minute mit 1:0 besiegt, was uns auf den fünften Tabellenplatz bringt und uns somit den Aufstieg beschert...

Mir fehlt momentan die Energie und der Wille, mich mit der aktuellen Situation des Vereins – d. h. der Unterdeckung des Etats auch in dieser Spielzeit – genauer auseinanderzusetzen. Ich frage mich nur, wozu es Experten gibt. Ich habe keine Ahnung, wie man einen Verein (oder besser gesagt ein „mittelständisches Unternehmen“) zu führen hat, und u. a. deswegen tue ich es auch nicht! Aber eigentlich stelle ich es mir ungefähr so vor, dass ich grob weiß, was ich in einer Spielzeit an Geld zur Verfügung habe, und dann entscheide, wie ich dieses Geld verteile. Und ich bin ja nicht allein, nein! Es gibt ja Experten, die mich unterstützen, und Kontrollgremien, die, falls nötig, eingreifen und mich auf möglicherweise entstehende Schräglagen hinweisen. Das finde ich gut. Ich möchte ja keine Fehler begehen, die den Verein eventuell teuer zu stehen kommen könnten. Aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung von der Materie.

Wenn ich das nächste Mal zuhause bin, werde ich mit meinem Vater über Fußball und über den FC sprechen und ich werde ihm das erzählen, was ich weiß, und er wird mich fragen, wie das denn gehen kann, wo St. Pauli doch ein höheren Zuschauerschnitt als jeder Zweitligist hat, und überhaupt, wo „wir Euch doch erst gerettet haben“ (Mein Vater ist Bayern-Fan). Und ich werde mit den Schultern zucken, „St. Pauli halt“ denken, es aber nicht sagen, sondern mir noch ein Bier bestellen, was mein Vater mir hoffentlich bezahlen wird.

Apropos Bier: Das Wattenscheid-Spiel. Für gewöhnlich trinke ich nicht am Millerntor, weil ich keine Lust habe, die Hälfte des Spieles am Getränkestand, auf dem Klo oder auf dem Weg zu meinem Platz zu verbringen. Diesmal war es mir egal. So habe ich das Gegentor zum 0:1 verpasst, und die Rote Karte für unseren Abwehrmann Gunesch. Gesehen habe ich ein Traumtor von Cory Gibbs, eines seiner wenigen für den FC, und höchstwahrscheinlich das letzte, was er für diesen Verein erzielt hat. Tolle Stimmung herrschte da in der Nordkurve; dort war es überhaupt sehr schön dieses Mal. Der Führungstreffer durch Musci war ebenfalls schön anzuschauen, auch mit getrübtem Blick. Da sowieso klar war, dass sie kurz vor Schluss wieder eins kassieren, habe ich mich ein bisschen weniger aufgeregt als sonst.

In Münster dagegen habe ich mich ein bisschen mehr aufgeregt als sonst. Ein Polizeiaufgebot, als ob die Islamisten schon kurz vor Coesfeld stehen würden. Es herrschte höchste Sicherheitsstufe, offiziell wegen der Gewaltbereitschaft eines Teils der Münsteraner Anhänger. Dahinter steckte aber folgender inoffizieller Plan: Die St. Pauli-Fans vom Bahnhof zum Stadion eskortieren, sie in einen Käfig namens Gästekurve sperren, sich sonst einen Scheißdreck um irgendwas scheren und hoffen, dass alles glatt geht.

Da wir mit dem Auto kamen und nicht mit dem Zug aus Hamburg, gestaltete sich das Ganze für uns etwas schwieriger, und ehe wir uns versahen, standen wir mit unseren Gästekarten irgendwo im Stadion, aber dieses irgendwo war garantiert nicht der Gästeblock! Das nenne ich Fantrennung. Und da wir von den Vollhonks der Security nicht in unsere Kurve (die zusätzlich noch durch leere Stehplatzbereiche links und rechts abgepuffert war) durchgelassen wurden, hatten wir ein Problem. Wir erreichten schließlich doch noch den St. Pauli-Block, indem wir das Stadion noch einmal verließen, uns durch die Prärie schlugen und unter Aufbietung all unserer Unterwürfigkeit Einlass fanden, trotz bereits abgerissener Eintrittskarten. Prima.

Der Gästebereich war natürlich völlig überfüllt, als wir kamen. Ich hatte die Hoffnung auf einen schönen Nachmittag längst aufgegeben. Man fragt sich schon, warum man in der Kurve steht und keine Chance hat, das Spiel vernünftig zu verfolgen, während die Bullen die halbe Gegengerade als „Pufferzone“ für sich alleine haben. Später haben sie dann doch noch Leute zu sich und ihren Hunden gelassen. Aber keine Fans aus dem Gästeblock, sondern nur St. Paulianer, die sich (wie wir ursprünglich auch) zu den Münsteranern verirrt hatten. Toll.

Aus unserer Kurve kam wirklich wenig Geräusch, außer den Ultras und einer Gruppe blinder Fußballfans vor uns hat kaum jemand je gesungen. Lag es an den Umständen, am – grottenschlechten – Spiel oder an der Jahreshauptversammmlung vom Abend zuvor, die die Stimmung drückte? Es war wohl von jedem etwas. Steter Tropfen höhlt den Stein, und auch auf St. Pauli ist die Leidensfähigkeit der Fans irgendwann erschöpft. So gesehen kommt die Winterpause genau zum richtigen Zeitpunkt.

In ein paar Wochen freuen wir uns sowieso schon wieder, da bin ich mir sicher: auf das letzte Februar-Wochenende.

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