07.03.04
Antigua GFC Coban Imperial 1:3
Estadio Pensativo, Antigua Guatemala
autor:
alteheide
Fast wie daheim
Wieso nur halte ich immer zu der Mannschaft, die letztendlich den Kürzeren zieht? Zugegebenermaßen gibt es Ausnahmen, aber eben nicht viele.
La Antigua Guatemala war auf der Reise durch Mittelamerika unsere Basisstation, zu der wir immer wieder zurückkehrten, um uns dann zu einem neuen Ziel aufzumachen. Bei jedem Besuch wurde mir diese alte, ausnehmend schöne Kolonialstadt vertrauter. Ich war irgendwie jedes Mal für einen oder zwei Tage zu Hause. Ich musste also den einheimischen Club unterstützen. (Generell finde ich auch, dass ein FC in Fußballstadien eine größere Existenzberechtigung hat als, sagen wir mal, ein (T)SV, eine SpVgg, ein VfB, VfL, DSC, DJK oder sonst was, von einem LR ganz zu schweigen).
Das Estadio Pensativo ist ein schöner Ground, ganz in den Vereinsfarben Grün-Weiß gehalten, von Hügelketten und Vulkanen umsäumt. Der Eintritt kostete umgerechnet 2,50 Euro; das ist verglichen mit den sonstigen Lebenshaltungskosten in Guatemala ein angemessener Preis. Da das Spiel Sonntag morgens um 11 Uhr angepfiffen wurde, bestand das Publikum zu einem großen Teil aus Familienausflüglern. Dazu passte auch, dass es fliegende Händler gab, die dem geneigten Konsumenten die Pizza o. ä. direkt zum Platz brachten. Seltsam, dass sich in einem Fußballstadion in der Dritten Welt längst kommerzielle Strategien durchgesetzt haben, von denen Assauer und Konsorten vor Jahren nur träumen konnten. Also, ihr Aasgeier, fahrt alle nach Guatemala, geht in irgendein Stadion und kommt bittebitte mit Innovationen zurück, die unser Fanleben in Deutschland noch ätzender machen! Die Familien werden kommen, das ist mal sicher. Sprechchöre können zur Not auch über die Stadionanlage eingespielt werden, und außerdem: Was gibt es schöneres, als wenn die Gegengerade vor einem Freistoß der eigenen Mannschaft rhythmisch in die Hände klatscht?
Das
Spiel (1. Liga, Tabellenkeller gegen -spitze) bewegte sich technisch auf
gutem Niveau, und wogte in der ersten und Anfang der zweiten Halbzeit permanent
hin und her, um dann (wohl konditionsbedingt) in der letzten halben Stunde
stark an Qualität zu verlieren. Was weiterhin auffiel, gleichwohl zu
erwarten war: Die große Ballverliebtheit der Akteure. Schnörkel
und Dribblings ohne Ende, hier ein Haken, da ein Haken, Chance vertan. Antigua
war über lange Strecken gleichwertig, musste aber früh einem Rückstand
hinterherlaufen und hatte dabei wenig Glück im Abschluss. Zu allem
Überfluss wurde dem FC auch noch ein reguläres Tor wegen angeblicher
Abseitsstellung aberkannt, was einen großen Teil der 700 Zuschauer
auf die Barrikaden trieb. Atención, Herr Assauer: Hier haben selbst
Familienväter noch richtig Feuer im Arsch! Der Schiedsrichter wurde
für den Rest der Halbzeit übelst beschimpft; dem Linienrichter,
der für die Fehlentscheidung verantwortlich war, blieb ein Mob von
etwa zehn Mann an der Außenlinie ständig auf den Fersen.
Nach der Halbzeitpause gelang den Gastgebern der Anschlusstreffer. Danach folgten aber kaum noch Torchancen, das Spiel wurde immer schlechter, und kurz vor Schluss machte Coban alles klar.
Was bleibt: Es ist keine Kunst, ein Fußballspiel interessant zu finden. Man muss seine Sympathien vor dem Spiel nur ganz klar verteilen. Und wenn es dann so ist, dass Deine Mannschaft das Spiel verliert, dann muss das auch noch nicht unbedingt schlecht sein. Immerhin erinnert es Dich an daheim, und daheim ist es, wie allgemein bekannt ist, halt doch am beschissensten. Und das ist gut.