02.04.04
SSV Jahn Regensburg – 1. FC Nürnberg
Städtisches Jahnstadion Regensburg
autor:
maedchen

Fans der Dummheit

idiotensport macht einen Ausflug. Nach Regensburg. Das Wetter ist schön an diesem zweiten April. Die Laune ist gut. Deshalb lässt es sich sogar die gute Stunde Autofahrt zwischen libero und alteheide auf der Rücksitzbank des fränkischen Obbl Corsa vom philantrop aushalten. casigordo ist Copilot. Den zerstoerer und fuck88 werden wir später in Regensburg treffen. Das maedchen empfindet allgemeine Wohlfühlstimmung im Kreise der Jungs.

Der Nachmittag verläuft harmonisch. Kleiner Stadtspaziergang, Dombesichtigung, gemütlicher Biergartenbesuch, übrigens mein erster in dieser Biergarten-Saison. Direkt an der steinernen Brücke, Blick auf die Donau, den Dom und die Stadt. Regensburg ist schön.

Um 19 Uhr beginnt das Spiel. Bereits auf dem Weg zum Stadion frage ich mich, ob das eigentlich immer so schlimm ist. Wo wurden die ganzen Trottel unter den Fans denn freigelassen? Im Stadion bietet sich ein Anblick, der keiner ist, denn man sieht nichts. Das ca. 9.000 Zuschauer fassende Städtische Jahnstadion ist hoffnungslos überfüllt. Weit über 10.000 Karten wurden laut Information einer Security-Frau verkauft. Diese hat eben mit ihren Kollegen die Gittertore am Eingang geschlossen. Den Sinn dieser Aktion kann sie mir leider nicht erklären und sie bestätigt meine Bedenken, dass somit die ohnehin bereits sehr gereizte Stimmung unter den Sardinen-Fans noch mehr angeschürt werde. Aber sie mache halt mal nur ihren Job. Und im Fall einer Panik könne man die Tore ja auch ganz schnell wieder auf machen. Nunja.

Zurück zum Spiel, weshalb wir ja eigentlich da sind: Die vermutlich einzige Frau, die davon etwas sehen kann, ist wohl die Linienrichterin, von der mir fuck88 berichtet. Auch männliche Zuschauer unter einer Körpergröße von 1,80 m dürften nicht viel sehen. Vom Führungstreffer Regensburgs in der vierten Spielminute durch Michal Kolomaznik erfahre ich durch die Jubelschreie der groß gewachsenen SSV-Anhänger um mich herum. Beim Versuch, den Jungs in die Gegengerade zu folgen, schaffe ich es nur bis ins Anfangsstadium eines klaustrophobischen Anfalls. Ich entscheide mich für den Rückzug zum Eingangsbereich.

Ich finde mich damit ab, wohl nicht mehr von diesem Stadionbesuch erwarten zu können und vertreibe mir die Zeit damit, die Zuschauer zu mustern und zu analysieren. Dabei frage ich mich, was denn dieser Nürnberg-„Fan“ zum Ausdruck bringen will, wenn er schreit: „IHR MÜSST KÄMPFEN, IHR SCHWULEN!!!“ Vielleicht hilft uns, ihn besser zu verstehen, wenn ich seinen Schal erwähne, den er hübsch auf seinem Bierbauch drapiert zur Schau stellt, dass jeder die darauf abgebildete Deutschland-Karte in den Farben schwarz, weiß und rot sehen kann. Naja, seine allgemeine Erscheinung passt ganz gut zu seinem offenen Hosenladen. Oder sein Kumpel, der die Spieler seiner Mannschaft mit Rufen wie „IHR NASEN, IHR SCHWUCHTEL!!!“ zu einer besseren Leistung zu animieren versucht. Außerdem stelle ich mir die Frage, wo die Leute eigentlich die ganzen T-Shirts kaufen, auf die Reichsadler und Schriftzüge in altdeutschen Lettern gedruckt sind. Scheinbar haben manche Leute nichts dazu gelernt und meinen, sie würden aus dem Nürnberg von vor fast siebzig Jahren kommen. Gut, vereinzelte Dumpfbacken gibt es wohl überall, aber mich erschreckt das gehäufte Auftreten dieser dummen Mitmenschen an diesem Freitag abend.

In der 75. Minute erzielt Andreas Wolf den Ausgleich für Nürnberg und vom dritten Tor des Spiels sehe ich sogar über den Hinterköpfen vor mir das obere Drittel des Tores mit dem sich bewegenden Netz. Es fällt in der 85. Minute, wird erzielt durch Markus Knackmuß, und bedeutet den Endstand von 2:1 für Jahn Regensburg.

Zwar habe ich noch nicht sehr viele Fußballspiele und -stadien besucht, doch von den wenigen ist dies die mit Abstand negativste Erfahrung. Die hohe Anzahl der so genannten „Fans“ mit einer eindeutig rechts gerichteten politischen Motivation unter den Clubberern vermittelt mir leider ein Bild eines durchschnittlichen Fußball-Fans, zu dem ich nur ein wortloses Kopfschütteln hervorbringe. Gleichzeitig wird mir aber klar, wie wichtig es ist, derartige Missstände nicht zu tolerieren und sie somit schleichend zur Normalität werden zu lassen, wie es beispielsweise das DSF tut (wir berichteten, s. hier). Ich fühle mich bestätigt in unserer Arbeit mit dieser Homepage und mir wird klar, wie wichtig das eigentlich alles ist. Und außerdem wird mir bewusst, wie wünschenswert doch eine Fankultur ist, wie sie beispielsweise beim FC St. Pauli gelebt wird.

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