18.04.04
1. FC Union Berlin – 1. FC Nürnberg
Alte Försterei, Berlin
autor:
zerstoerer

Warum ich so ungern Spielberichte schreibe, ist mir selbst nicht ganz klar. Vielleicht, weil ich überzeugt davon bin, keine Ahnung vom Fußball zu haben. Brauch ich auch nicht, denn ich bin Fan und kein Experte. Es könnte aber auch daran liegen, dass ich mich bei den allermeisten Spielen zu betrunken fühle - obwohl ich so gut wie nie besoffen bin – um das Spiel nachher beurteilen zu können.

Wie dem auch sei. Nachdem das Spiel in Berlin in wenigen Monaten das zweite war, dem außer mir kein rggf-member beiwohnte, kann ich mich kaum drücken. Schließlich habe ich schon über das erste Franken-Derby seit über 25 Jahren im Fürther Bauernhof kein Zeugnis abgelegt. Wäre wohl auch zuviel Beachtung der nicht vorhandenen Vestenbergsgreuther Fankultur gewesen.

Was eigentlich ein ganz guter Einstieg ist. Denn Fankultur gibt es in der Alten Försterei genug. Immer wieder hört hat man ja im Zusammenhang mit „Eisern Union“ von sehr engagierten Fans, und vom Kultfaktor her ist Union Berlin sicherlich einer der ganz wenigen Vereine, die man ansatzweise mit dem FC St. Pauli vergleichen kann. Ein reines Fußballstadion – zur Zeit wohl das authentischste in der zweiten Liga mit 23.500 Plätzen, davon nur 2000 Sitzplätze –, eine Anzeigetafel mit Schildern und einen treuen Anhängerstamm, egal wie es gerade um Union steht.

Vor dem Spiel verbreitete der ebenfalls kultige, weil extrem monoton sprechende Stadionsprecher, schon pure Abstiegsstimmung. Typisches Ossi-Gejammer zwar, aber irgendwie hörenswert witzig. Ca. 9000 Berliner ließen sich dann auch nicht lumpen und legten vor dem Anpfiff eine ordentliche Choreographie hin. In Nürnberg klappt das ja derzeit auch ganz gut, nur in Fürth (z.B. und v.a.) natürlich mal wieder nicht.

Das Spiel selber sollte dann ein echter Kracher werden. Der Club spielte das dritte mal hintereinander mit einer weitgehend neu formierten Viererkette, in der Tony Sanneh nach über einem Jahr Verletzungspause sein erstes Spiel von Anfang an machte. Im Gegensatz zu den letzen Spielen stand diese erstaunlich sicher und so konnte der Club durch Tore von Sanneh und Vittek früh eine beruhigende 2:0 Führung rausspielen. Selbst den Anschlusstreffer (Mintal) beantwortete man postwendend und sah zur Halbzeit wie der sichere Sieger aus.

Nach der Pause legte Union dann aber einen Zahn zu, und plötzlich war die Unsicherheit, die die Nürnberger Abwehr vor allem im ersten Drittel der Saison und seit ein paar Wochen an den Tag legte, wieder da. Der Club sah den zu diesem Zeitpunkt schon so gut wie sicher abgestiegenen Berlinern bewundernd zu und nach 75 Minuten stand es folgerichtig 3:3.

Mal wieder so ein großartiger Moment, wie ihn Clubfans in den letzten zehn Jahren zu oft miterleben mussten. Angesichts der Tatsache, dass Alex Ristic wohl noch selten nach Übernahme eines Teams vier mal in Folge verloren hat, machte sich zumindest bei mir Unruhe breit.

Trotzdem, irgendetwas ist in dieser Saison anders als früher. Zwar stellt sich der Club immer noch häufig ausgesprochen dämlich an, doch merkt diese Mannschaft, wenn es richtig eng wird und behält dann auch noch die Nerven. Ungewöhnlich für den FCN. Aber plötzlich nahmen die Clubberer das Heft wieder selber in die Hand und schenkten den jetzt im Hurra-Stil anstürmenden Berlinern in der Schlussviertelstunde noch zwei Tore (Vittek, Mintal) ein, besiegelten damit wohl deren Abstieg und verschafften sich selbst einen einigermaßen beruhigenden Vorsprung für die letzten fünf Spiele.

Die Fahrt nach Berlin hat sich gelohnt, zumal sich auch meine Befürchtung, Union Berlin sei ein Sammelbecken für Rechte, nicht bestätigt hat. Das Publikum machte an diesem Nachmittag einen eher sympathischen Eindruck. Diese Fans konzentrieren sich auf ihr eigenes Ding. Ich kann mich nicht mal an Hass- oder Schmäh-Gesänge gegen das Auswärtsteam erinnern.

 

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