08.08.04
Borussia Dortmund Am. – VfL Wolfsburg Am. 3:1
Rote Erde, Dortmund
autor:
alteheide

Dieser Tag sollte eine Ruhrpott-Odyssee werden, etwas für den Romantiker in mir. Mit der Regionalbahn reiste ich von Duisburg über Mühlheim an der Ruhr, Essen und Bochum nach Dortmund.

(Vergällt wurde mir die Zugfahrt von Gladbach-Fans, die unterwegs waren nach Bielefeld zum ersten Saisonspiel ihrer Mannschaft, und die den inzwischen ja wohl üblichen Zinnober veranstalteten, den man halt veranstaltet als Fußball-Fan in einem öffentlichen Verkehrsmittel, i. e. möglichst viel Bier trinken (was ja völlig o. k. ist), dabei möglichst laut möglichst dummes Zeug reden, und wenn man dann so richtig schön enthemmt ist, möglichst schnell jegliches zivilisierte Verhalten ablegen. In dem Falle: Punks beschimpfen („Zick-Zack-Zigeunerpack“, „Asylanten“); kundtun, dass man die Türkei hasst; und letztendlich konsequenterweise fordern: „Hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz!(?)!“. Dabei glaube ich gar nicht einmal, dass es sich hierbei um Faschos o. ä. handelte; das waren einfach junge Spritzer, die das verinnerlicht haben, was ihnen Stefan Raab täglich mit auf den Weg gibt: dass es das allerwichtigste im Leben ist, Spaß zu haben, und zwar um jeden Preis.)

Das legendäre Stadion Rote Erde liegt nur einen Steinwurf vom Westfalenstadion entfernt, ist wider Erwarten sehr flach und weitläufig, dafür aber mit einem schönen Biergarten ausgestattet. Das reicht vollkommen für die meisten Regionalligaspiele, heute sowieso, waren doch die Amateure des VfL Wolfsburg zu Gast. In Punkto Attraktivität ist diese Paarung ja wohl kaum zu toppen. Und weil an diesem Tag auch noch eine unfassbare Hitze herrschte, befanden sich wohl mehr Leute im benachbarten Freibad als in der Roten Erde. 488 Zuschauer waren es, wobei Wolfsburg es tatsächlich geschafft hat, abgezählte 12 Supporter mitzubringen. Wie viele wären es wohl gewesen, hätten am Tag zuvor nicht die Profis des VfL im benachbarten Westfalenstadion gekickt?

Das Spiel selbst war allenfalls mittelprächtig – es geht ja auch um nichts im Duell zweier Amateurmannschaften. Die Hitze tat ihr übriges. Mir blieb unter solchen Umständen nichts anderes übrig, als mir ein Unentschieden, viele dicke Patzer (am besten Torwartfehler), eine unterirdische Schiedsrichterleistung und ein paar schöne Fouls zu wünschen. Kaum hatte ich diese Wünsche mir gegenüber geäußert, fiel auch schon das 0:1. Im Gegenzug erhielten die Gastgeber einen mehr als zweifelhaften Elfmeter – Ausgleich. So ging es in die Pause.

In der zweiten Halbzeit dann die Treffer zwei und drei für den BVB, dessen beste Akteure bezeichnenderweise Odonkor und Gambino waren, die ja auch schon reichlich Bundesligaerfahrung besitzen. Präger auf Wolfsburger Seite hingegen blieb blass, was man von seinem Gesicht (Marke Feuermelder) nicht behaupten kann. Jedenfalls gelang Wolfsburg - obendrein geschwächt durch eine Gelb-Rote Karte - nichts mehr Zwingendes, so dass das Resultat schon in Ordnung geht. Gegönnt hätte ich zumindest Betrand Bingana noch wenigstens eine zwingende Offensivaktion, doch der ehemalige St. Paulianer wurde erst kurz vor Schluss eingewechselt und konnte nicht mehr Fuß fassen.

Mir erging es zu diesem Zeitpunkt allerdings noch wesentlich schlechter als Bertrand: Meine Füße versagten mir die Gefolgschaft, so heiß war es. Ich konnte kaum noch stehen. Und ich drohte zu verdursten. Ich sah kleine Sternchen, wenn ich die Augen nach oben drehte. Ich war kein Mensch mehr. Ich war eine umherschleichende Pfütze.
Irgendwie habe ich es aber dann doch zum Dortmunder Hauptbahnhof geschafft. (Wo mir ein maximal 14jähriger blondierter Schmächtling auffiel, der ein T-Shirt der Borussenfront trug, mit dem Rückenaufdruck „ZORN HASS GEWALT“. Das ließ mich schmunzeln). Nun folgte der Romantik zweiter und dritter Teil: zuerst eine weitere herrliche Zugfahrt, diesmal über (man lasse es sich auf der Zunge zergehen) Castrop-Rauxel, Herne, Wanne-Eickel, Gelsenkirchen und Essen-Altenessen nach Oberhausen, und dann ein Kneipenbesuch im Oberhausener Bahnhofsviertel, weil ich mir die Sonntagsspiele der 1. Liga ansehen wollte. Das Etablissement war spärlich besucht. Das Klientel bestand zum einen aus ob des nachmittäglichen Remis’ Oberhausens gegen Trier leicht enttäuschten, hauptsächlich aber schwer besoffenen RWO-Fans mittleren Alters, zum anderen aus hochmotivierten Oberhausener Ultras, die abseits an einem großen Tisch saßen und ständig über irgendetwas abstimmten, mit eigens angefertigten Stimmkärtchen(!).

So ging langsam ein Tag zu Ende, von dem ich bis heute nicht weiß, wie ich ihn gefunden hätte, wenn es auf dieser Welt kein Bier gäbe. So aber bleibt mir nur eines zu sagen: Er war wirklich prima.

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