29.09.04
AC Mailand – Celtic Glasgow
Stadion San Siro, 55000 Zuschauer
autor:
libero


Ehrlich gesagt habe ich mir unter einer Modestadt nicht einen an der eigenen Hektik, Lärm und Schmutz erstickenden Moloch vorgestellt. Aber genau in dieser Verfassung präsentierte sich dieses Mailand am 29. September 2004. Wäre mein Besuch nicht rein zufällig mit dem Gastspiel der Celts beim dortigen Berlusconiclub zusammengefallen, wäre wohl das einzig Erwähnenswerte, natürlich neben dem kolossalen Dom gotischer Architektur, das Drei-Euro-Tagesticket für den öffentlichen Nahverkehr. Wie der geübte Leser wohl bereits ahnt, war dem aber nicht so.

Vielmehr war es so, dass die tausenden Celtic-Supporters nicht nur den Domvorplatz in grün-weiß hüllten, sondern auch dem Dombesuch mit ihren Fußballchorälen eine ungewöhnlich eigenwillige Note gaben. Neben den Schotten fand sich auch eine illustre Anzahl St. Paulianer in Mailand ein und auf diese beriefen sich jene Celts, die von einem, offensichtlich nicht ganz bei Trost gewesenem, Dortmundfan zum Trikottausch animiert wurden. Anscheinend steht es um die BVB-Aktie schlechter als ich dachte, denn der Kerl hatte einen ganzen Schwung von diesen gelben Dingern in seinem Rucksack.

Celtic Glasgow nüchtern betrachtet – aufgrund des vielfältigen kulturellen Interesses meiner Begleitperson – verliert etwas von der Faszination, der man als Teil der Celtic-Party unweigerlich ausgesetzt ist. Aber nichtsdestotrotz fühlt man sich wohl, in mitten dieser sympathischen Fanszene, die sich mit ihren lautstarken Gesängen, die diesen Namen auch wirklich verdienen, und ihrem, trotz enormem Alkoholeinfluss, sympathischen Auftreten so wohltuend vom typischen gröhlenden deutschen Fußballfan abhebt.

Anscheinend gibt es dazu aber mehrere Meinungen. Oder wieso sonst errichtete die Exekutive von Berlusconi bereits vor dem Spiel eine Polizeiwagenburg um die Eingänge der Gästefans, die eher an den 1. Mai in Berlin erinnerte, als an ein Fußballspiel? Was bleibt ist Unverständnis und Kopfschütteln meinerseits.

Lobend hervorgehoben werden muss in diesem Zusammenhang hingegen das Ordnungspersonal im Stadion San Siro. Im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen, von denen zu viele davon ausgehen mit ihrem Job den Grundstein für eine vielversprechende Karriere, wahlweise in Guantanamo oder Abu Graibh, legen zu können, sind sie dort in erster Linie am Fußballspiel interessiert. Aus dieser eh schon angenehmen Gruppe ragte ein Ordner abermals hervor. Jener Mann war ab Mitte der ersten Halbzeit in erster Linie damit beschäftigt, einen Celtic-Fan mit ordentlicher Schlagseite zu beaufsichtigen, der sich immer neue Plätze zum Schlafen suchte. Diese Aufgabe löste er souverän und begleitete den Betrunkenen nach Abpfiff sogar noch zu seinen Kumpels. Respekt!


Schlafen drängt sich als Überleitung zu Spielkommentaren jetzt förmlich auf, insbesondere das Partizip schlafen liefert eine treffliche Charakterisierung der Leistung der Hoops in der ersten Hälfte. Nicht nur immer einen Schritt zu spät, technisch unbeholfen, bar der Fähigkeit auch nur einen einzigen Spielzug antizipieren zu können und mit einer Lücke im Sturm, die wohl so schnell nicht geschlossen werden kann. So wurde versucht sich einer spielerisch brillanten Milan-Elf entgegen zu stellen, was natürlich frühzeitig und ordentlich bereits in der 8. Minute misslang und Shevchenko das 1:0 erzielte. Den ungezählten, teilweise kläglich vergebenen, Chancen von Milan stand in den ersten 45 Minuten keine einzige von Celtic gegenüber. Er st in der zweiten Hälfte sah man sich im Stande den ballführenden Spieler frühzeitig zu attackieren, die Räume enger zu machen und ein eigenes Angriffsspiel zu installieren. Dieses Umdenken führte auch zum zwischenzeitlichen durch Varga, ehe in der 88. Minuten die fleischgewordene neue Sachlichkeit des Fußballspiels, Inzaghi, nicht nur meinen Traum platzen lies. Das danach folgende Freistosstor von Pirlo zum 3:1-Endstand sei nur noch der Vollständigkeit halber erwähnt.

Als Resümee bleibt ein schiefer Vergleich zwischen meinen persönlichen Ansichten zur Champions League (zu groß, zu teuer, zu kommerziell, nur teuere Sitzplätze) und den Aussichten von Celtic Glasgow in eben dieser Liga heuer: irgendwie alles ne Nummer zu groß!

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