18.02.05
FC St. Pauli – 1. FC Köln Am. 2:0
Millerntorstadion, Hamburg
autor:
alteheide

 

Was kann man von einem Spiel erwarten, in dem es eventuell um gar nichts mehr geht? Angesichts der (neuerlichen) Hiobsbotschaften, die den Fan erreichten in den Tagen seit dem 9. Februar?

 

Der FC St. Pauli sitzt wieder einmal tief in der Scheiße, vielleicht sogar tiefer als je zuvor. Denn diesmal ist das Finanzamt mit von der Partie. Kurz zusammengefasst, kursierten seit Mitte voriger Woche Gerüchte von erheblichen Umsatzsteuerschulden in den Gazetten. Der Verein bestätigte daraufhin einen sogar noch höheren als den kolportierten Betrag, nämlich eine Schuld von etwa einer Million Euro aus den Jahren 1996 bis ’99 und aus dem Jahr 2002. (Wenn man bedenkt, dass darüber hinaus noch laufende Verbindlichkeiten in etwa der selben Höhe bestehen, und der Tatsache ins Auge sieht, dass zukünftige Einnahmen bereits jetzt ausgegeben sind, kann einem ernsthaft angst und bange werden. Quo vadis, St. Pauli? fragt sich nicht nur der Übersteiger, der einen guten Überblick über die derzeitige Finanzsituation gibt.)

Unter den Fans (Achtung: subjektive Einschätzung des Autors!) herrscht inzwischen Fatalismus und Resignation vor; jegliches möglicherweise noch vorhandenes Vertrauen in die Vereinsführung ist zerstört; eine weitere Retteraktion ist sehr unwahrscheinlich, und auch größtenteils nicht gewollt – wir hängen davon ab, ob und über welchen Zeitraum das Finanzamt bereit ist, dem FC St. Pauli seine Schulden zu stunden. Zu diesem Thema fand am Tag des Köln-Spiels ein Treffen von Vereinsvertretern, u. a. Präsident Littmann und Vize Schulz, mit Verantwortlichen der Hamburger Finanzbehörde statt. In einem vor dem Spiel verteilten Flyer wird gleich im ersten Satz wieder kräftig auf den Putz gehauen: „[...] die Unruhen der letzten Woche haben nun ein Ende.“ Gut zu wissen. Die Rede ist von einem „konstruktiven und sachlichen“ Gespräch, von dem gemeinsamen Willen, „die Zukunft des FC St. Pauli zu ermöglichen“, und vom „langfristigen“ Abtragen der „Steuerverbindlichkeiten aus der Vergangenheit“, ganz so als ob Littmann und Co. gar nichts mit der ganzen Sache zu tun hätten.

Unter diesen Vorzeichen dann das Spiel: es war saukalt, es schneite, der Wind pfiff permanent, und: die Mannschaft des FC St. Pauli bot eine seltsam gute Leistung. Dem 2:0 durch Wojcik ging gar ein Jahrhundertkombination voraus - zumindest nach St. Pauli-Maßstäben; am Millerntor hat man so etwas seit der Aufstiegssaison nicht mehr gesehen -, woraufhin die 15.000(!) Unentwegten (minus die 30 Kölner) völlig ausflippten. Zwischenzeitlich war die Partie unterbrochen, weil Schnee geräumt werden musste. Das tat der Stimmung aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: „Das Herz von St. Pauli“ wurde voller Inbrunst intoniert, und nachher nutzte der Stadionsprecher die Gelegenheit, das nächste Spiel anzukündigen, und schloss mit den Worten: “Spielbeginn: 14 Uhr. Für alle, die breit sind: Das ist um zwei, kurz nach Mittag!“

Und all dies gab mir auf rätselhafte Weise das feste Gefühl, dass es doch irgendwie weitergehen wird, mit dem Verein, mit mir, mit uns. Denn so etwas Schönes und Eigenartiges wie der FC St. Pauli darf niemals untergehen.

 

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