27.10.06
FC St. Pauli 1910 – Borussia Mönchengladbach II 1:0
Millerntor Hamburg
Zuschauer: 18359

autor: ghostwriter

 

Um es gleich mal vorweg zu nehmen, ich war enttäuscht, ja fast schon beleidigt. Das erste mal in meiner, nun schon zehn Jahre währenden Karriere als Anhänger des FC St. Pauli, fühlte ich mich nach einem gewonnenen Spiel meiner Mannen in brau-weiß richtig mies. Ja, es ist richtig! Das Spiel wurde 1:0 gewonnen und trotzdem kochten nach Abpfiff keine Glücksgefühle in mir hoch. Daß sich Fan nach Niederlagen seines Teams scheiße fühlt, ist ja wohl eher normal, aber wie kann es passieren, das man sich nach einem Sieg nicht freut?

sanktpauli

Wenn man so wie ich, über zwei Jahre gebraucht hat, um wieder einmal ans heimische Millerntor zu kommen, um einem Spiel beizuwohnen, dann geht man natürlich mit gewissen Erwartungen an sein Team dorthin. Erwartungen an eine Mannschaft, die wie die meisten ja wissen, nun schon die vierte Saison in der Regionalliga Nord dahindümpelt, und der ich es auf jeden Fall zugetraut hätte, gegen den aktuellen Tabellenletzten, die kleinen Fohlen aus Mönchengladbach, einen anständigen Sieg einzufahren. Auch wenn die spielerische Qualität der Mannschaft, verursacht durch viele verletzungsbedingte Ausfälle, in letzter Zeit sehr zu Wünschen übrig lies. Es wäre auf jeden Fall mehr drin gewesen, als das was ich schließlich auf dem Platz zu sehen bekam. Ein Aufstiegsaspirant spielt wahrlich anders!

Das Spiel, in der ersten Hälfte noch ganz ansehnlich, immerhin mit einigen herausgearbeiteten Torchancen, eine davon verwandelt von Charles Takyi zum schon erwähnten 1:0 in der 30. Spielminute, verflachte nach der Halbzeitpause derart, das man eigentlich nur noch hätte kotzen können. Da war kein Biß mehr vorhanden, keine Leidenschaft, kein Drang, noch ein oder zwei Tore nachzulegen. Und das ist es, was mich schließlich so verärgerte. Wie kann man sich derart auf einem 1:0 ausruhen. Gladbach II kam schließlich auch zu guten Möglichkeiten auf ein Tor, hätte jederzeit noch den Ausgleich erzielen können und alle St. Paulianer hätten wieder saudoof aus der Wäsche geschaut. Nur dem brau-weißen Fußballgott, so es ihn denn gibt, war es an diesem Abend zu verdanken, daß alles noch mal gut gegangen ist.

bier

Aber nicht nur das Spiel selbst war an diesem Abend frustrierend für mich. Wo war die ach so kultige Stimmung auf den Rängen des Millerntor-Stations geblieben? Augen- und ohrenscheinlich war diese nicht einmal mehr in Ansätzen vorhanden, obwohl sich wieder einmal über 18000 Leute im Stadion eingefunden hatten. Die Jahre in der Regionalliga mit immer wieder grauenhaften Spielen seitens des FC St. Pauli haben halt doch ihre Spuren bei den Fans hinterlassen. Eine Ausnahme bilden da wohl nur die Spiele aus der letzten DFB-Pokalrunde, als hier an genannter Sportstätte richtige Fußballfeste gefeiert wurden. Es ist absolut traurig und schade, daß das hier alles so gelitten hat. Ich war aber an diesem Abend vielleicht doch etwas zu euphorisiert an die ganze Sache herangegangen. Aufgeputscht durch die Freude auf das Wiedersehen mit der Gegengerade, angetrieben durch den Konsum einiger Becher Astra hätte ich sehr gerne mehr gesungen, geschrieen, geklatscht und angefeuert, aber die meisten der mich umgebenen Menschen hielten es für angebrachter sich gemütlich zu unterhalten, Bier zu trinken und das Spiel als eine schöne Gelegenheit zu nutzen, wieder mal gute Freunde zu treffen. So paßte ich mich meiner Umgebung schließlich an und wenn ich ehrlich bin, dann kann ich es den Leuten, die hier die ganze Zeit, möglicherweise alle zwei Wochen stehen, nicht verdenken, daß ihnen die Lust aufs ständige Singen und Anfeuern ein bisschen vergangen ist.

Schade fand ich es aber auch für meine beiden Begleiter, ein „Roter“ und ein „Blauer“, die mich auf meiner Reise in den hohen Norden der Republik begleitet hatten, und sich schließlich auch dieses Trauerspiel mit ansehen mussten. Sie hatten sich das „Ereignis“ Fußballspiel am Millerntor wohl auch etwas spannender und stimmungsvoller vorgestellt.
Aber ich möchte nicht nur Trübsal blasen. Sicherlich gibt es irgendwann mal wieder bessere Spiele und der Millerntor-Roar erlebt eine Auferstehung. Bleibt nur zu hoffen, daß das nicht noch eine Ewigkeit dauert.

tribuene

Meinen Frust habe ich an diesem Abend übrigens noch, wie sollte es anders sein, in diversen Kneipen links und rechts der Reeperbahn ertränkt. Es bot sich ja bestens an, für meine zwei „Hamburgneulinge“ den Kneipenführer zu spielen. So zog es uns in dieser Nacht vom „St.-Pauli-Eck“, über den „Hans-Albers-Platz“, bis zum letzten Bier aus der Esso-Tankstelle und schließlich um ca. 3.00 Uhr morgens zurück in unser Hostel, wo sich der „Blaue“ schließlich den „Abend“ noch einmal durch den Kopf gehen lies.

Auch wenn´s beim FC St. Pauli zurzeit keinen so rechten Spaß macht, so sei doch erwähnt, daß Hamburg auf jeden Fall wieder einmal eine Reise wert ist. Schließlich kann man sich hier, auch nach einem verkorksten Spiel, prima die Nächte um die Ohren schlagen.

Hamburg, bis bald!

hamburg


zurück