Panorama Offenbach

02.03.2008
Offenbach - St. Pauli
Stadion
autor: alteheide

 

Ich hatte meine braun-weiß gestreifte Unterhose nicht an, und ich hatte nur drei Stunden geschlafen. Also bin vielleicht sogar ich schuld an dem, was als der Horror von Offenbach in meine persönliche St. Pauli-Geschichtssschreibung eingehen wird.

Eintrittskarte

Man kann sich zum Trost natürlich wieder das einbläuen, was Fußballfans in solchen Situationen gerne sagen, nämlich dass es ihre (und keine andere) Mannschaft immer wieder schafft, just in dem Moment, wo sich alles endlich zum Positiven zu neigen scheint, bescheuert wie kaum jemals zuvor anstellt und es in einer vollkommen absurden Art und Weise vergeigt; dass man durch eine solche Niederlage direkt mit der Nase auf die Parallelen zwischen Verein und eigenem Leben gestoßen wird und der geknüpfte Schicksalsbund so die von Zeit zu Zeit notwendige Auffrischung erfährt; also: dass das alles schon seinen Sinn hat.

Doch das ist kompletter Unfug.

Es sah so gut aus zu Beginn der zweiten Halbzeit: Trojan hatte in der 46. Minute das 3:1 erzielt, und damit den Offenbachern zum viel zitierten psychologisch ungünstigsten Zeitpunkt den Wind aus den Segeln genommen. Sowieso war im ersten Abschnitt keine große Gefahr von den Hessen ausgegangen; wenn, dann nur aufgrund der Klasse ihrer beiden Stürmer Bancé und Türker, denn aus dem OFC-Mittelfeld kam wirklich wenig bis gar nichts. Und die Abwehr - vor allem die Innenverteidigung - der St. Paulianer hatte nach größeren Anfangsschwierigkeiten inzwischen Betriebstemperatur erreicht. Links hinten hatte in der ersten Halbzeit noch (erstmals) Yanchuk für den kurzfristig ausgefallenen Gunesch gespielt. Es war zugegebenermaßen keine allzu gute Leistung vom Neuen aus der Ukraine gewesen, aber überraschend war es schon, als nach dem Wechsel plötzlich Rothenbach auf links stand und Offensivmann Braun von nun an die rechte (Abwehr-)Seite beackern sollte. Eine mutige Auswechslung von Stanislawski. Oder doch eher fahrlässig? Meiner Meinung nach war diese Auswechslung der Anfang vom Ende, vor allem weil sie ohne (größere) Not geschah. Braun zeigte gravierende Defensivschwächen - er ist nun mal kein Verteidiger -, und das merkten bald auch die Offenbacher, die dann auch fast alle Angriffe über ihre linke Seite laufen ließen. Vielleicht aber wäre diese selbstverschuldete Schwächung der eigenen Defensive gar nicht so sehr ins Gewicht gefallen, wenn sich Alex Ludwig zehn Minuten nach dem 3:1 nicht völlig unnötig nach einem groben Foulspiel an der Mittellinie die Rote Karte abgeholt hätte. Die Stimmung war nach einem Gerangel rund um Filip Trojan nur wenige Minuten vorher zwar aufgeheizt, aber so dumm darf man sich einfach nicht verhalten.

Vom Zeitpunkt der Hinausstellung an war eigentlich klar, dass hier noch irgendetwas extrem in die Hose gehen würde. Anfangs sah es allerdings noch danach aus, als könnten die Braun-Weißen ein viertes Tor nachlegen, aber die wenigen guten Gelegenheiten wurden schlampig zu Ende gespielt. Trojan war inzwischen auch akut rotgefährdet und musste runter. Wieso kann der nicht einfach öfter mal seinen Mund halten, und wieso gibt es auf dem Spielfeld niemandem (z.B. den Kapitän), der ihm das in aller Deutlichkeit zu verstehen gibt? Für den Tschechen kam Bruns, der harmlos wie immer blieb. Dann begann auch noch Schnitzler, der einzige noch vertretene Stürmer, uns Sorgen zu machen. Der ging mal so richtig auf dem Zahnfleisch! Jedenfalls schleppte er seinen Körper humpelnder- und keuchenderweise mehr schlecht als recht den langen Bällen hinterher, mit denen ihn seine Kollegen in kompletter Ignoranz seiner physischen Verfassung fütterten verhungern ließen. Entlastung für die Verteidigung, insbesondere für den bedauernswerten Marvin Braun, der versuchte, einen guten, Räume zustellenden, sauber grätschenden Verteidiger abzugeben (es aber leider nicht schaffte), blieb so natürlich vollkommen aus.

Was waren wir froh, als Stani sich anschickte, das dritte Mal auszuwechseln.
Was waren wir verwundert, als Brunnemann sich bereitmachte.
Was haben wir geschimpft, als nicht Schnitzler, sondern Schultz ausgewechselt wurde.
Ich habe das alles für einen Witz gehalten. Eigentlich halte das alles immer noch für einen Witz, allerdings für einen furchtbar schlechten. Kurz nach dem Spiel erhielt ich eine SMS von einem Freund, und da stand: Ein Witz. Volltreffer.

Fresse

Ach ja: Das 2:3 fiel in der 71. Minute durch Türker (nach Flanke von links), das 3:3 in der 84. (Wörle) und das 3:4 in der 86. Minute (Sousa). Ich war bedient, komplett. Es kann gut sein, dass der Schiedsrichter überfordert war, dass er uns einen Elfmeter verweigert hat und der Gegner mindestens eine Rote Karte mehr als wir hätte kassieren müssen. Doch das ist Bullenscheiße, denn nach diesem Spiel muss sich der FC St. Pauli bei GAR NIEMANDEM beschweren außer bei sich selbst.


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