autor: libero 04.02.03

Ansichten eines Clowns

Winter. Es schneit. Ich sitze im Lesesaal der Universität München und sollte für die nächste Prüfung lernen. Doch da türmen sich zu große innere Widerstände auf, die ich in der aktuellen Verfassung nicht überwinden kann. Also beginne ich zu schreiben.

Die Welt steht vor einem Krieg, dessen Auswirkungen sich beim besten Willen von nahezu Niemandem abschätzen lassen. Eine kleine Clique, die zufällig in Personalunion auch noch die Regierung der USA bildet, hat sich in den Kopf gesetzt, das zu tun, was man heutzutage von einem Arbeitnehmer erwartet. Sich loyal gegenüber dem Arbeitgeber zu verhalten. Und zwar auch über das Ende der Beschäftigung hinaus. Also setzt sie die, ihr jetzt unterstellte, Kriegsmaschinerie in Gang um ihren ehemaligen Arbeitgebern, weitestgehend Ölfirmen, entscheidende Wettbewerbsvorteile in der Zukunft zu verschaffen. Dass sie damit gegen gültiges Recht verstößt und gegen den Willen fast der ganzen Weltbevölkerung handelt, ist dabei zweitrangig. Das diese macht- und profitbesessene Clique, ich möchte sie nur ungern Regierung nennen, auf sehr zwiespältige Weise zur obersten Exekutive der Vereinigten Staaten von Amerika wurde, haben wir dem sehr komplizierten Wahlrecht dieses Landes zu verdanken. Und jetzt haben wir den Salat.

Aber auch in unserem eigenen Land sieht es nicht viel besser aus. Der brutalstmögliche und glaubhafteste Aufklärer seit es Korruptionsskandale gibt, Roland "das Gesicht" Koch, wird von der leichtgläubigen Wählerschaft für seine "Verdienste" mit der absoluten Mehrheit belohnt. Das ist entweder ein Zeichen dafür, den Föderalismus in der Bundesrepublik abzuschaffen oder es zeigt, dass der Wähler in seiner Intelligenz maßlos überschätzt wird. Die Wahrheit liegt hier mal nicht auf'm Platz, sondern irgendwo in der neuen Mitte.

In Niedersachsen gewinnt der langweiligste und drögeste Kandidat, den man sich nur irgendwie vorstellen kann, Christian Wulff, gegen Sigmar Gabriel. Auch hier sollte mir mal jemand die Zusammenhänge glaubwürdig erläutern. Gabriel sah bis vor zwei Monaten noch wie der klare Sieger dieser Landtagswahl aus. Er ahnte das Stimmungstief der Bundes-SPD und positionierte sich fern von Schröder. Von den WählerInnen wird er aber trotzdem mit einem Denkzettel abgestraft, der eigentlich an die Adresse Gerhard Schröders hätte gehen sollen. Da haben wohl einige die TV-Duelle vor der letzten Bundestagswahl noch nicht genügend reflektiert, geschweige denn verarbeitet. Wie sonst ist es zu erklären, dass am Wahltag fast jeder zweite Niedersachse in der Wahlkabine beim Stimulus SPD, wie einer der berühmten pawlovschen Hunde mit Schröder reagiert und seine Stimme anderen Parteien gibt. Und ich als angehender Lehrer soll meinen Schülern selbständiges und selbstreflektierendes Denken beibringen. Das wird ein hartes Stück Arbeit. Es scheint doch so, dass die Wenigsten diese Fähigkeiten von ihrem Elternhaus mitbekommen werden.

In unserem München steht wieder mal die Sicherheitskonferenz, früher die Wehrkundetagung, an. Der Beckstein krakeelt schon Tage vorher, dass er mit schwersten Ausschreitungen und Tumulten rechnet. Seinen Handlangern, den Polizisten, impft er schon mal eine Nulltoleranzgrenze ein.

Wenn ich so was höre, wünsche ich mir ein brennendes München kommendes Wochenende. Die Staatskanzlei sollte lichterloh in Flammen stehen. Vielleicht würde erst dann ein Beckstein einsehen, dass sich seine Horrorszenarien, die jeglichen Realitätssinn vermissen lassen, zu "self-fulfilling prophecies" entwickeln können.

Aber so weit wird es ja nicht kommen. Die Münchener werden sich zwar zahlreich an den Demonstrationen beteiligen, zu Ausschreitungen wird es aber nicht kommen. Trotzdem werden wieder hunderte friedliche Demonstrationsteilnehmer verhaftet werden und das Wochenende, oder Teile davon, in Vorbeugungsgewahrsam verbringen. Am Montag wird Beckstein den friedlichen Verlauf auf das unangemessen hohe Polizeiaufgebot und seine Hardliner-Strategie zurückführen. Das beinhaltet doch eine gewisse Ironie. Das ist in etwa so, wenn der Trainer einer Fußball-Mannschaft, einen souveränen 1:0-Sieg am grünen Tisch den hervorragenden Abwehrleistungen seiner Spieler zuschreibt. Dass die gegnerische Mannschaft den Fußballplatz nicht fand, was vor allem in niederen Klassen durchaus vorkommen kann, oder zu wenige Spieler sich zum Spiel zusammenfanden, auch möglich, wird vorsichtshalber mal verschwiegen. Für mich grenzt diese Verlogenheit an Propaganda aus längst vergangenen Tagen und erinnert mich irgendwie an die Rhetorik dieser Clique aus Washington.

Was bleibt sonst noch dieser Tage? Ich befinde mich wieder mal im Lernstress wegen der Klausuren, eine für mich passende Frau habe ich bis jetzt auch noch nicht entdeckt und der FC St. Pauli ist auf dem besten Wege in die Regionalliga Nord. Und ich dachte irgendwann, fängt das Leben richtig an, doch es ging nur immer weiter... Vielleicht wird das ja alles besser in Liga drei...

zurück