autor: alteheide 30.01.06

mer.de

Ich hätte da mal eine Beschwerde vorzubringen:

Ich bin nämlich nach längerer Abstinenz wieder in die Gewerkschaft eingetreten. Im Januar, als Teil meiner guten Vorsätze für das neue Jahr. (Alles andere – nicht rauchen, weniger trinken, mein Leben in den Griff kriegen – hab ich schon wieder aufgegeben). Und weil die Zeiten ja so modern sind, habe ich meinen Beitritt per Internet klargemacht. Hat alles gut geklappt, der Computer hat auch gleich meinen monatlichen Beitrag ausgerechnet. Schöne neue Welt usw.

   

Dann, nach ein paar Wochen, kam zum ersten Mal Post von ver.di. Das erste offizielle Schreiben, mit Bestätigung des Eingangs meiner Beitrittserklärung, mit einem herzlichen Willkommenstext unter der schönen Anrede Lieber Genosse etc pp. So hatte ich mir das jedenfalls vorgestellt. Ich also den Brief geöffnet, und was springt mir da ins Auge? Folgendes:

Und auf der Rückseite:

Bin ich im Pro7-Club gelandet oder was? Wieso muß ich mich von meiner Gewerkschaft mit so einem neumodischen Zivilisationsdreck zumüllen lassen? Wieso muß sich scheinbar jeder, selbst eine Gewerkschaft, an diesem so unglaublich lästigen Herumspielen des modernen Kapitalismus an sich selbst beteiligen? Wieso kann sich nicht zumindest eine gesellschaftliche Institution verweigern? Einfach nur des guten Geschmacks wegen! Oder gerade auch, weil es ja genau diese Institution „Gewerkschaft“ ist, die sich auf die Fahne schreibt, als Mahner und in der Konsequenz auch als Bremser galoppierender Modernisierungsprozesse tätig zu sein.

Wenn ich Vergünstigungen für „Blumen und Gestecke aller Art zu allen Anlässen“ will, dann trete ich dem Verein der Gartenbaufreunde Ostwestfalen-Lippe bei. Oder ich pflücke mir einfach selber welche (Blumen, nicht Vergünstigungen). Am Ostfriedhof. Da muß ich noch nicht mal Eintritt bezahlen. Und wenn ich einmal so weit bin, auf „Afterworkpartys“ gehen zu wollen oder in ein „Musical“, oder gar „Mitgliedschaften in Fitness- oder Sportzentren“ anstrebe, dann kann ich mir das auch selbst leisten, weil: dann habe ich Karriere gemacht und die dazu nötige Gehirnwäsche bereits hinter mir.

Wenn ich jemals wieder dem TSV München von 1860 beim Fußballspielen zuschauen will, dann bestimmt nicht für 15 Euro und schon zweimal nicht in dieser supertollen Scheißarena, wo es ganz genauso trist ist wie im Olympiastadion, abgesehen davon, daß der Stadionanimateur noch ein bißchen lauter schreit.

Und wenn ich verdammt nochmal in eine Gewerkschaft eintrete, dann will ich, daß die sich darauf konzentriert, wofür sie da ist, und keine Beitragsgelder und keine Arbeitskraft dafür verschwendet, sich an den Konsumenten im Allgemeinen und speziell an den „Fußballfan“ - oder zumindest an das, was die ver.di dafür hält -, ranzuschmeißen.

P.S.: Es lag dem ver.di-Werbebrief natürlich auch noch ein Willkommensschreiben bei, mit Lieber Kollege oben drüber und einem netten Text. Aber da war es schon zu spät. Da hatte ich mich schon aufgeregt.

zurück