autor: libero 18.03.03

Die Ignoranz eines Präsidenten der nicht gewählt wurde

Es ist doch wirklich zum Kotzen! Ich bin zwar kein Pazifist, doch bin ich bis heute ganz gut damit gefahren, an das gute im Menschen zu glauben und eine friedliche Konfliktlösung einer, wie auch immer gearteten, gewaltsamen vorzuziehen. Ob ihr mich jetzt naiv nennen wollt oder blauäugig schert mich eigentlich nicht wirklich.

Tatsache ist nämlich, dass ich jetzt hilflos mit ansehen muss, wie das alles in Scherben fällt, weil George W. Bush mal eben der ganzen Welt ans Bein pinkelt und den Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika mal kurz über den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stellt. Das hat er schon clever gemacht. Wer glaubt ernsthaft, dass man die, infolge der Anschläge vom 11. September 2001, nationale Verteidigungsstrategie zum Spaß änderte? Und wenn sich ein Land Präventivschläge gegen Staaten die ihm nicht in den Kram passen herausnimmt, dann glauben die undankbaren Europäer, in Gestalt von Frankreich und Deutschland, das sei nur Show und sie könnten darauf Einfluss nehmen. Welch ein Unfug!

Ich bin der festen Überzeugung, dass hinter dieser Strategieänderung System steckt. Erst der Irak, der in den Genuss der zweifelhaften Demokratisierung unter amerikanischer Federführung kommt. Dann der Iran, Pakistan, Nordkorea nicht zu vergessen, Palästina böte sich auch noch an und in Saudi Arabien sind die USA ebenfalls nicht beliebt und unter Demokratie wird in Washington was anderes als in Riad verstanden.

Wir sind meiner Meinung nach an einem historischen Wendepunkt in der Geschichte angekommen. Dieser gegen das Völkerrecht verstoßende Krieg gegen Irak ist der Startschuss zu einer Neuordnung dieser Welt unter Federführung der USA. Natürlich wird das so keiner der Diplomaten oder Politiker bestätigen wollen. Aber insgeheim ist ihnen klar, dass der übergangene Sicherheitsrat, die Ignoranz gegenüber der ganzen UNO und der in ihr vertretenen Nationen weit reichende Folgen für das zukünftige Zusammenleben auf dieser Erde haben wird.

Mit dem Hinwegsetzen über das Völkerrecht geben die USA ein denkbar schlechtes Vorbild für die gesamte Welt ab. Wie soll sich die restliche, friedliche Welt bei zukünftigen Verstößen gegen das Völkerrecht oder Konflikten in anderen Regionen verhalten? Zuschauen, Bomben werfen, einmarschieren und Krieg führen? Eine Antwort auf diese Frage gibt auch die leere Drohung von George W. Bush in seiner Kriegserklärung nicht, dass alle Kriegsverbrecher ihre gerechte Strafe bekommen werden. Heißt das, dass er alle in Krieg involvierten Soldaten der "Koalition der Willigen" vor den UN-Gerichtshof stellen will? Natürlich nicht, schließlich weigern sich die USA die Institution des UN-Gerichtshofes anzuerkennen. Zu schön die Vorstellung, dass diese Regierungsclique komplett in den Bau wandert, wo sie eigentlich, als Kriegsverbrecher, hingehörten. Nein, die ersten Kollateralschäden gibt es bereits vor dem Krieg: die UNO, das Völkerrecht und die gespaltene EU. Gut gemacht, George!

Die Politik der derzeitigen Regierung der USA ist nichts weiter als Interessenpolitik für die wichtigsten Industrien. Es ist Interessenpolitik für die Waffenindustrie, schließlich werden sich die USA jede verschossene Rakete wieder anschaffen. Das erhöht den Umsatz natürlich enorm. Außerdem ist es natürlich Interessenpolitik für die Ölindustrie. Wer glaubt ernsthaft daran, dass die vor Jahren abgeschlossenen Verträge russischer Ölfirmen mit dem Irak nach einem Krieg und einer US-freundlichen neuen Regierung noch Gültigkeit besitzen? Die Ölindustrie im Irak nach dem Krieg wird fest in amerikanischer und britischer Hand sein. Verträge, die mit Saddam Hussein abgeschlossen wurden, werden für ungültig erklärt und die russischen Firmen schauen in die Röhre.

Sehr praktisch, dass das Land mit den vermutlich größten Ölreserven der ganzen Welt, seit über 20 Jahren in den Händen eines, mit Hilfe der USA installierten, Diktators ist. Seit zwölf Jahren versteht man sich nicht mehr so gut. Deshalb haben die USA, pikanterweise in Verbindung mit der UNO, die Anfang der 90er Jahre noch prosperierende irakische Volkswirtschaft systematisch zerstört. Die militärische Infrastruktur wurde, dank der eingerichteten Flugverbotszonen und den damit einsetzenden permanenten Angriffen seitens der USA und Großbritanniens, fast komplett zerstört und beim jetzigen Einmarsch ist mit einer ernsthaften Gegenwehr nicht zu rechnen. Das Hoheitsrecht über den Luftraum eines souveränen Landes wurde bisher nur Irak entzogen. Einzigartig in de Geschichte! Der Grundstein für die, von langer Hand akribisch geplante, Invasion wurde bereits nach dem ersten Golfkrieg gelegt!

Ebenso einzigartig wie der Entzug der Hoheitsrechte dürfte auch die Mär von den Massenvernichtungswaffen sein. Hat doch dieser George W. Bush tatsächlich einen Appell an die irakische Bevölkerung und an das irakische Militär gerichtet. Er fordert die Bevölkerung des Iraks auf, sich den friedlichen Invasoren nicht entgegenzustellen, die gekommen sind, um die Massenvernichtungswaffen zu vernichten. "Wer's glaubt, wird seelig!", sagt man bei mir zuhause. Falls es diese schrecklichen Massenvernichtungswaffen gibt, wieso hat man keine Angst vor ihrem Einsatz? Saddam Hussein hat doch schon bewiesen, dass er vor deren Einsatz, auch gegen die eigene Bevölkerung, nicht zurückschreckt. Wieso sollte er diese Waffen nicht gegen imperialistische Aggressoren einsetzen? Hat man das im Pentagon nicht bedacht oder weiß man von ihrer Nichtexistenz mehr, als man der Welt bisher mitgeteilt hat?

Ich merke es schon, ich stelle hier wieder Fragen, auf die ich wohl niemals eine Antwort bekommen werde. Aber bei der Vorstellung einer Welt, die von demokratiefeindlichen Amerikanern, und das ist kein Antiamerikanismus sondern eine treffende Bezeichnung für die derzeitige Regierung der USA, dominiert wird bekomme ich eine Gänsehaut und es läuft mir kalt den Rücken runter.

Wird die UNO durch den US-Kongress ersetzt? Spaltet sich die EU in zwei Blöcke? Vielleicht mit einem neuen Vorhang? Was geschieht mit den anderen manifesten Konflikten auf dieser Welt? Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Und ich hoffe, dass sich die Regierenden und die Regierten dieser Welt besinnen und die Einen keine Politik mehr gegen das Volk betreiben werden und die Anderen demokratiefeindliche Regierungen abwählen. Und ich hoffe auf ein Signal aus der ältesten Demokratie auf dieser Welt. Ich wäre schon zufrieden mit einer demokratischen und für jedermann nachvollziehbaren Wahlprozedur. Oder handelt es sich bei den USA gar nur noch um eine "We-say-so-democracy!"? Schließlich wurde ihr jetziger Präsident, George W. Bush, nicht von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt. Die meisten Stimmen bekam Al Gore. Niemals vergessen!

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