autor: zerstoerer 28.07.06

Quell des Wissens, Stein der Weisen – Sport Bild Sonderheft Bundesliga 2006/2007

Wahren Freunden des runden Leders und Lesern dieser Homepage ist es ja schon lange kein Geheimnis mehr. Fußballfachleute greifen zur persönlichen Saisonvorbereitung nicht zum Kicker Sonderheft, sondern zum bewährten Pendant aus dem allseits wegen seiner Qualitätsprodukte anerkannten Springer-Verlag.
Auch vor der gerade angelaufenen Saison haben es sich Axels Erben nicht nehmen lassen, auf sage und schreibe 244 prall gefüllten Seiten, Experten und Fans die neue Saison so schmackhaft zu machen, wie ein köstlich zubereitetes, ausgewachsenes Schwein.
Zur Einstimmung glänzt diese Enzyklopädie mit der leider zum Trend des Jahres gewordenen Lobhudelei auf irgend so eine Fußball-WM, die angeblich als Vorbereitung auf die Bundesligasaison in Deutschland abgehalten worden sein soll. Quasi um zu testen, ob die Sicherheitsvorkehrungen für die neue Saison auch greifen.
„Nun soll die prächtige Stimmung auf die Bundesliga überschlagen, wünschen sich viele Fans in Deutschland“, heißt es da in einer Bildunterschrift gleich zu Beginn auf Seite 5. Und Schauspielerin (!) Michaela Schaffrath zum Beispiel hat während der WM gar die Falle mit der Sitzschale vertauscht und dem Glühstab den Ball vorgezogen. „Ich habe einige Spiele der deutschen Mannschaft live im Stadion erlebt und war begeistert von der außergewöhnlichen Stimmung. Diese WM-Euphorie wird jetzt bestimmt auf die Bundesliga überschwappen“.
Wild, wild, wild, kann man da nur sagen. Aber, liebe Gina, genau so wird es nicht werden. Weil die „Fans“, die während der WM im Stadion waren, zum größten Teil nach der WM bis zur EM nicht mehr in ein Stadion gehen werden und die, die vor der WM im Stadion waren, während der WM pausiert haben und erst jetzt wieder zu den Bundesliga-Spielen gehen. Und deshalb wird es zum Glück eben keine Stimmung geben wie bei der WM. Sondern die Stimmung wird sich nach Aktivität und Einfallsreichtum der Fans richten, für die Fußball nicht Entertainment, sondern ein Teil ihres Lebens ist. Es wird genau die Stimmung herrschen, die vor der WM für die die Bundesliga stand. Und deshalb wird im U-Boot bei den Bayern wie immer die ganze Saison lang nichts los sein, während es am Millerntor, wie fast immer, rund gehen wird.
Weiter geht es mit unentbehrlichen Fachkommentaren von Lothar Matthäus zur Frage, wer den Bayern die Schale entreißen kann. Da philosophiert sich der gute Matthäus wie gewohnt das ein oder andere Mal ins Abseits: „Fritz gilt links als eines der größten Talente des deutschen Fußballs. Entweder er bildet ein starkes Pärchen mit Patrick Owomoyela, oder er verdrängt ihn sogar. Beides ist möglich.“
Genau, beides ist möglich. Links kann rechts sein und rechts links. Relativ gesehen zumindest. Owomoyela jedenfalls ist eigentlich Rechtsverteidiger und wenn jetzt Clemens Fritz dasselbe für links ist, kann er Owomoyela natürlich verdrängen. Zumindest wenn Fritz von links auf relativ weit rechts rückt. Denn relativ weit rechts kann ja auch das Gegenteil von links sein, also ganz rechts. Relativ gesehen.
Auch Schalke ist vor Lothar nicht sicher: „Schalkes Kader ist nach wie vor hervorragend besetzt. Deshalb stehen auf der Liste der Neuen mehr Schalker Eigengewächse als Fremde. Da fehlte wohl das Geld.“
Das lässt Interpretationsspielraum ohne Ende. Zum Beispiel: Schalkes Kader ist so gut, da bot es sich aus Zastermangel einfach an, ihn durch billige Eigengewächse zu schwächen, die noch günstiger sind als Qualitativ minderwertige ominöse Fremde.
Unter dem Titel „Rot für jeden Ellenbogencheck“ kommt dann auch Schiri-Sprecher Manfred Amarell zu Wort. Die Schiedsrichtergilde hat die Sommerpause dazu genutzt, wieder eine unsinnige Regel zu erfinden, um den Spielfluss noch weiter versanden zu lassen und sich durch noch mehr Spielraum für noch mehr strittige Entscheidungen noch mehr Medienpräsenz zu sichern.
„Oder wenn jemand den Ellenbogen rausstellt, damit der Gegner dagegen läuft. Das ist auch Rot!“. Na, da werden wir wieder trefflich diskutieren, das werden die Schiedsrichter sicher immer richtig beurteilen. Aber es kommt noch besser: „Vorige Saison gab es noch diese Denkweise bei den Spielern: Der andere ist schuld, wenn er gegen den Ellenbogen rennt. Damit ist jetzt Schluss“. Ich sehe schon David Jarolim und Konsorten vor mir, wie sie sich im gegnerischen Strafraum an die Ellenbogen des Ballführenden Verteidigers hechten. Also mal ehrlich, wenn ich des Nachts besoffen gegen eine Straßenlaterne knalle (per pedes natürlich!), bin ich dann in Zukunft auch nicht mehr selbst schuld.? Und hätte dann – gemessen am neuen deutschen Regelwerk - nicht Matarazzi bestraft werden müssen, weil er Zidans Kopfstoß nicht aus dem Weg ging???
Nach all dem Vorgeplänkel kommt dann wie immer der Hauptteil, in dem neben den üblichen Statistiken die Situation in den Vereinen kurz dargelegt wird. Sofort negativ fällt hier natürlich auf, dass beim HSV unter der Rubrik Zahlen & Fakten bei Personen der Busfahrer der Mannschaft nicht erwähnt wurde, was bei allen anderen Vereinen der Fall ist.
Bei Schalke findet sich ein kleiner aber feiner Fehler im Ausdruck: „Schalke hat mit Assauer nicht nur ein, sondern für viele sogar sein Gesicht verloren“. Richtig muss es natürlich heißen: Schalke hat unter Assauer nicht nur ein, sondern für viele sogar sein Gesicht verloren...
Der Club wird zwar in hohen Tönen gelobt, aber so ganz sicher sind sich die Sport-Bildler dann doch nicht. Oder warum wurde unter „DIE TRAINER SEIT 1963“ ausgerechnet exemplarisch das Bild von Friedel Rausch veröffentlicht. Der Mann der den Karren gegen die Wand fuhr, als er sich am letzten Spieltag der Saison 98/99 darauf verließ, dass Frankfurt eben nicht 5:1 gegen Lautern gewinnen würde. Das Ende ist bekannt.
Den beiden Regionalligen als kommende dritte Profiliga werden gerade mal 16 Seiten gewidmet, davon sechs Seiten für ein doppelseitiges Riesenphoto und die nicht aussagefähigen Rahmenspielpläne, weil die genauen Spieltage bekanntlich erst kurz vor Anpfiff festgelegt werden.
Immerhin findet der Brockhaus unter den Fußballsportpublikationen auf der letzten Seite mit einem Bild von Labersack Waldi Hartmann einen versöhnlichen Abschluss. Dieses zeigt, wie man ihm einen Eimer Wasser über den Kopf schüttet.
Mit dem Wunsch, dass dies in Zukunft regelmäßig und auch bei anderen Reportern/Kommentatoren stattfinden mögen wünscht viel Spaß bei der Lektüre

Euer zerstoerer

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