furiosiFoto: www.theaterakademie.de

autor: zerstoerer 21.01.07


Kultivierter Gewaltausbruch
Das Thaterstück „I Furiosi“ im Metropol Theater München

 

Kann das Treiben von Hooligans Stoff für ein Theaterstück sein? Oder anders ausgedrückt: kann man Menschen, die grundsätzlich für Theater offen sind, in eine Vorstellung über Fußballhooligans locken?

Die Vorstellung im Metropol Theater ist an diesem Abend auf jeden Fall sehr gut besucht, wenn nicht gar ausverkauft. Das die Klientel freilich aus klassischen Theater-Fans besteht, darf bezweifelt werden. Dafür ist das Thema einfach zu unkultiviert, zu rauh, zu aggressiv, zu laut. Dabei soll Theater ja nicht immer nur ästhetisch sein, sondern durchaus auch provokant. Aber passt die Subkultur Hooliganismus noch auf die Theaterbühne oder ist sie zu wuchtig, vielleicht zu beleidigend für den „herkömmlichen Theaterbesucher“? Ist der Schnösel reif für den Mob?

Wie dem auch sei. Die neun Schauspieler verkörpern den Chaoten-Pöbel, den Abschaum, jedenfalls so glaubhaft, dass wohl nicht nur ich mir die Frage stelle, ob der ein oder andere nicht vielleicht tatsächlich in der Hooligan-Szene aktiv ist oder zumindest war. Die provokante Aggressivität, mit der die Dogmen der Hooligan-Szene dem Publikum serviert werden, überzeugt. Sie reißt mich mit, dem die unterschwellige Aggressivität aus dem Stadion bestens bekannt ist. Ich sympathisiere ein Stück weit und bin gleichzeitig angeekelt.

Die verschiedenen Charaktere sind Drogenabhängige, Arbeitslose, Arbeitnehmer, Jüngere, Ältere, Mitläufer, Anführer, Einpeitscher. Ein Markenzeichen haben sie alle. Sie sind wegen Körperverletzung vorbestraft. Sie sind auch Fans vom AC Milan, aber v. a. Fan ihrer Vereinigung, in diesem Fall einer der Mailänder Roten Brigaden. Es geht nicht nur um das Fußballspiel, sondern es geht auch um die Fahrten zu und von den Spielen, die als Exzess zelebriert werden. Alkohol, harte Drogen und bei einer gelungenen Fahrt körperliche Gewalt sind wichtige Zutaten. Eine Auseinandersetzung mit einer Hoolgruppe eines anderen Vereins oder der Polizei. Es geht um die Sucht nach einem Gemeinschaftserlebnis.

furiosi furiosi

Fotos: Hilda Lobinger, www.metropoltheater.com

 

Das Stück ist eine Anreihung von Anekdoten, wie sie sich in diesem Fall in der Hool-Szene des AC Milan zugetragen haben, wie es sie vor allem aber auch in England gegeben hat, teilweise auch in Deutschland.

Sie schildern die Fahrt in Schrottreifen Bussen ohne Fenster, weil ein intakter Bus von den Hools zu einem schrottreifen gemacht werden würden. Vom Transparentklau und Präsentieren desselben als Trophäe, also vom Verletzen der Ehre einer verfeindeten Hoolgruppe. Von einer Schlacht auf dem freien Feld, nachdem in zwei sich begegnenden Zügen die Notbremsen gezogen wurden und die beiden Hoolgruppen sich erst selbst bekriegen und dann vereinigt gegen die Polizei kämpfen. Es geht um einzelne Mitglieder in der Gruppe, die eine bestimmte Grenze der Gewalt überschreiten, die Regeln brechen, die es auch in diesem anarchistischen Umfeld gibt und die letztendlich von ihren eigenen Leuten bestraft werden.

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Fotos: Hilda Lobinger, www.metropoltheater.com

 

All diese Mechanismen und Rituale, sie sind allen bekannt, die sich in welcher Weise auch immer mit der Hoolszene beschäftigt haben. Sie sind nichts Neues. Aber sie werden von den neun Schauspielern überzeugend dargestellt. Mehrmahls krachen zwei bewegliche Bühnenteile laut zusammen. Trommeln werden so lange bearbeitet, bis bei einer sogar das Fell reißt. Sie brüllen ihre Sprechchöre ins Publikum, starren es provozierend und unverhohlen an. Wie kommen diese neun Typen nach der Vorstellung wieder runter, ohne irgendetwas zu zerschlagen oder auf dem Heimweg jemand zu verprügeln, fragt man sich. So greifbar ist die Aggressivität für das Publikum.

Ein Stoff der so gar nicht zum Sommermärchen passen will. Fazit: Absolut sehenswert!


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