mannschaft

autor: philantrop 29.06.08

Wien - Das Protokoll


Unverständlicherweise wurden der RGGF-Redaktion keine Tickets für das Finale der Fußball-Europameisterschaft zur Verfügung gestellt, was uns aber natürlich nicht davon abhalten konnte, nach Wien zu reisen.
Sicher anders als die Anderen, hier mein Protokoll:

Kurz nach Vier: Abfahrt, alteheide und casigordo nahmen unsere Mitfahrerin, themachine, in die Mitte. Vorne bisdennsen, und ich als Beifahrer. Der Volvo läuft ruhig, keine Probleme bis zur Grenze. Als die Grenzkontrollstelle mit 80km/h durchbrochen wurde, bittet bisdennsen um seine Auswechslung, kein Problem.

Fühle mich gegängelt wegen des Tempolimits. Für Polen gilt dies nicht. Frechheit.

Pause in St. Pölten. casigordo distanziert sich von seinen Landsleuten. Pflichte ihm bei, ohne zum Spanier zu werden.

Ankunft in Hütteldorf. Schönes Parkhaus.

EM

Elementare Regeln werden aufgestellt:

  1. die Gruppe bleibt zusammen
  2. niemand beklagt sich über die Hitze
  3. es fehlt sich an nichts

Das Gerhard-Hannapi-Stadion nur von außen gesehen. Deutsche Security am Eingang. Wir wissen Bescheid, die Sicherheit…

Die Hitze wird unerträglich und es sind noch 100 Meter bis zum Bahnhof.

Wo müssen wir nur hin? Und mit welchen Verkehrsmittel? Mir ist es egal. Ich habe Hunger und trinke noch ein feines Pilschen, bevor es warm wird.

Nach drei Umsteigevorgängen haben wir das erste Teilziel erreicht, aber warum fährt diese Ringtrambahn nicht? Nur wegen der Fanzone. alteheide ist genervt und besteigt eine Trambahn, ohne zu wissen, wohin diese fährt. Ziel ist ein Imbissstand, der sich seines Wissens nach irgendwo in Wien befinden muss.

casigordo meint, dass er wohl besser im Bett geblieben wäre. Ich biete ihm ein Bier an, er lehnt ab und verspricht, die Rückfahrt zu übernehmen. bisdennsen freut sich und trinkt.

Nach einer Stunde haben wir das Ziel erreicht. Dumm nur, dass der Verpflegungsstand geschlossen hat. Immerhin weiß ich jetzt, wo wir uns befinden, im 9. Bezirk. Pause im Park, noch ein feines Pilschen, eine Mütze Schlaf, bin angetrunken.

Nach einigen anderen Wirren in der Innenstadt angekommen. Es ist heiß, halte mich aber dennoch an Regel 2. Habe mittlerweile die Hoffnung aufgegeben, etwas zu Essen zu bekommen. Mittlerweile muss es Mittag sein.

Muss mich zum wiederholten Male von meinen Landsleuten distanzieren, warum ist mir nicht möglich, mich mit Reisegruppen aus Dresden oder Frankfurt zu solidarisieren? Es geht eben nicht.

schuss tor

Die Fanzone regt mich auf. Alles vergittert und mit Werbung zugeklebt. alteheide stimmt ein kritisches Lied an, ich stimme ein. Sofort Lautsprechergetöse aus der Fanzone. Abgehört werden wir also auch noch. Weg hier!

fanzone

In der Hofburg schreiben wir Postkarten und ich unterschreibe auf einer, ohne den Adressaten zu kennen. Hoffentlich freuen sich die Leute wenigstens drüber.

Endlich finden wir einen Feinkostladen. Es gibt warme Würstel. Wurde auch Zeit. Der Inhaber beklagt sich über die UEFA. Ich brauche dringend einen Jägermeister, das Würstel war fett.

delikatessen

Das Tempo verlangsamt sich zusehends, mich beschleicht das Gefühl, dass ich nicht der einzige in unserer Gruppe bin, an dem das Dosenbier zehrt, auf das wir inzwischen umgestiegen sind. Wir brauchen alle dringend Schlaf.

themachine will Riesenrad fahren und setzt dieses Vorhaben mit Vehemenz durch.

riesenrad

Wieder deutsche Reisegruppen. Was mögen die Einheimischen davon halten?

Im Riesenrad darf man nicht rauchen, casigordo hat das wohl geahnt und geht nicht mit. Mich beschleicht Höhenangst und ein asiatischer Tourist macht sich einen Scherz daraus. Ich finde das nicht lustig. Zum Glück darf man in der Gondel Bier trinken.

Zur Donauinsel soll’s gehen. Ich erkenne zwar keine Insel, aber die Donau. Die Wiener freuen sich über das Prachtwetter und liegen in der Sonne. Mir ist es mittlerweile egal. Muss dringend meinen zweiten Rausch ausschlafen, bevor das Spiel beginnt.

doppelschläfer

bisdennsen zeigt deutliche Anzeichen eines Sonnenstichs und droht nicht mehr aufzuwachen. Die Pflegefachkräfte kriegen ihn aber zum Glück wieder hoch.

Wir beschließen, zurück in den 9. Bezirk zu fahren, was problemlos klappt, alteheide hat das Nahverkehrssystem inzwischen durchschaut.

Mittlerweile hat der Imbissstand geöffnet. Es gibt verschiedene Kreationen von Würsten mit Semmel. Imbissstände an stark befahrenen Kreuzungen sollten staatlich subventioniert werden. Ich will gar nicht mehr weg.

Wir waren ja eigentlich wegen des Fußballspiels nach Wien gefahren. Bin aber mittlerweile vollkommen an Ende. Wie soll ich das nur durchstehen?

glubb

Das WUK ist zum Glück nicht weit. Werden das Finale auf der ballesterer-Party anschauen.

Sehr viele Menschen hatten die gleiche Idee wie wir, nur vor uns, die Sitzplätze sind weg. Wir haben aber keine Wahl mehr. Ob sich Menschen wie Lehmann, Lahm oder Löw darüber im Klaren sind, was für übermenschliche Kräfte wir freisetzen, nur um dieses Spiel vor Ort am TV-Schirm anzuschauen?

Eine Stunde bis zum Spiel. Hansi Müller ist Experte für die deutsche Mannschaft im ORF. Ich ringe mit dem Schlaf.

Ballack spielt. Wir haben uns auf den Boden gesetzt.
Die Abschlussfeier wird übertragen. Ist ähnlich nervenaufreibend wie die Eröffnungsfeier.

Das Spiel beginnt. Warum sind hier eigentlich so viele für Spanien? Es will mir nicht in den Kopf.

Eine Viertelstunde haben wir die Spanier im Sack. Ich trinke erstmal ein Bier. Warum sie gerade Beck’s ausschenken, bleibt mir ein Rätsel.

Zusammengepfercht auf den Hallenboden schläft mein linkes Bein ein.

Torres trifft und ich denke, dass Andi Wolf das nicht passiert wäre. Aber wahrscheinlich wäre er im Endspiel sowieso gesperrt gewesen.

Halbzeit. Ich bin überzeugt, dass Deutschland das Spiel noch dreht. Irgendwie. alteheide und casigordo haben ab jetzt Stehplätze.

Müsste eigentlich dringend ins Bett. Kann weder sitzen noch stehen. Zweite Halbzeit.

Wundere mich, dass Deutschland das Spiel noch nicht gedreht hat. Löw sollte auf die Tribüne, mit Flick lief es besser.

Spanien ist überraschend stark, aber Gomez und Kuranyi werden das Kind schon schaukeln, haben ja ein überragendes Turnier gespielt bisher.

Die Österreicher singen bereits „Deutschland, Deutschland alles ist vorbei“. Wartet’s nur ab, Burschen.

Spanien versiebt seine Torchancen, ich habe starke Schmerzen im rechten Knie.

Viva Espana wird immer wieder angestimmt, aber noch sind fünf Minuten zu spielen und wenn wir erstmal an den Ball kommen, dann aber!

Schlusspfiff. Spanien ist Europameister und die Wiener freuen sich ausgelassen. Ich gebe die Pfandbecher ab und freue mich, dass ich noch bis drei zählen kann.

Die Gruppe verlässt das WUK fluchtartig. Hätte noch einen Obstler gebrauchen können.

Besteigen die Linie 5. Kaufe aber vorher noch einen Hot Dog.

Wundere mich, dass wir nach zwei Bier schon in Hütteldorf sind. Dauerte heute Morgen eine gute Stunde länger.

casigordo fährt in unglaublich abgeklärter Art und Weise nach Hause. Der Rest setzte zum Endspurt mit Stiegl Bräu an.

Und wenn nichts dazwischen kommt, dann fahren wir in vier Jahren nach Warschau!

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